Hubert Fromlet. Foto: Magnus Hjalmarson Neideman/SvD/TT

Umfang künftiger Zinssenkungen entscheidend

08.05.2024

Die zukünftige schwedische Konjunkturentwicklung hängt in hohem Maße vom Umfang der erwarteten Zinssenkungen ab. Dabei wird Schweden ohnehin etwas mehr als die meisten anderen EU-Länder von der Politik der Zentralbank abhängen, so Prof. Hubert Fromlet, Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer. 

Die entscheidende Frage für Schwedens Konjunktur ist momentan, inwiefern sich der starke Zinsoptimismus der Finanzmärkte bewahrheitet. Bislang zeigt die schwedische Konjunkturstatistik bestenfalls das Erreichen der Talsohle – aber noch keinesfalls das ersehnte Durchschreiten.

Silberstreifen am Konjunkturhorizont…

Lichtblicke zeigen sich bereits bei einigen Frühindikatoren. Hierzu gehören unter anderem der Einkäuferindex für die Industrie, die Frühindikatoren des staatlichen Konjunkturinstituts, verschiedene Inflationsindikatoren im Hinblick auf die weitere Zinspolitik der Reichsbank und vielleicht sogar der leicht aufgehellte deutsche Konjunkturhorizont.

Dabei sollte insbesondere beachtet werden, dass Schwedens private Haushalte durchschnittlich ziemlich hoch verschuldet sind und sich deswegen während der Hochzinsphase besonders spürbar mit dem Konsum zurückgehalten haben. 

Inzwischen wissen wir, dass die Reichsbank die vielerorts herbeigesehnte Zinswende eingeleitet hat. Dies ist zunächst psychologisch besonders wichtig. Doch nimmt es sich immer noch sehr unsicher aus, um wieviel Prozentpunkte die schwedischen Leitzinsen in 2024 und 2025 noch sinken werden. 

„Die schwedischen Finanzmärkte sehen hierbei noch sechs bis sieben weitere 0,25-prozentige Zinssenkungen.“

Die schwedischen Finanzmärkte sehen hierbei noch sechs bis sieben weitere 0,25-prozentige Zinssenkungen. Dies mag etwas (zu) optimistisch erscheinen – auch unter Berücksichtigung aller globalen Risiken. Utopisch ist es aber nicht.

Gleichzeitig erscheint es wahrscheinlich, dass die schwedischen Haushalte kommende Zinssenkungen künftig zielstrebiger für mehr privaten Konsum einsetzen werden als beispielsweise die deutschen nach Zinslockerungen der EZB. Dies liegt im etwas größeren neugewonnenen finanziellen Spielraum begründet. Nennenswerte Wachstumseffekte sind aber dadurch für 2024 auch in Schweden noch nicht zu erwarten. 

In 2025 könnte dann das schwedische BIP um 2,5 Prozent zunehmen – allerdings nur unter folgenden drei wichtigen Voraussetzungen: 

  • das schwedische Inflationsziel von 2 Prozent wird nachhaltig erreicht;
  • die EZB hat ihr zweiprozentiges Inflationsziel ebenfalls unter Kontrolle;
  • die geopolitische Lage verschärft sich nicht weiter, beispielsweise auf den Rohstoff- und Energiemärkten und in der Handelspolitik. 

...bei gleichzeitig noch zu defensiver Strukturpolitik

Natürlich schauen Unternehmen und Finanzmärkte mit ihren Analysten und Händlern in hohem Maße auf die eher kurzfristigen Konjunkturerwartungen der Mikro- und Makroebene. Daran ist nichts auszusetzen, bringt aber den Nachteil mit sich, dass sich auch die Politik meistens zu sehr kurzfristig orientiert und damit notwendige Strukturverbesserungsarbeiten versäumt. So ist es seit geraumer Zeit in Deutschland und teilweise in Schweden. Auch wenn die schwedische Regierung inzwischen deutlich an Verbesserungen der im Trend schwachen Produktivitätsentwicklung interessiert ist. Letzteres ist sicher ein guter gedanklicher Schritt nach vorne, da Veränderungen von Produktivität und geleistetem Arbeitsvolumen bei ausreichender Kapitalversorgung als Pfeiler für Wirtschaftswachstum fungieren. 

Zuletzt wurde hierzu auch ein seitenträchtiges staatliches Gutachten (hier auf Schwedisch) mit vielen – meines Erachtens zu vielen – Einzelvorschlägen präsentiert, teilweise mit erheblichem politischen Sprengstoff. 

Dazu gehören unter anderem freie Mietpreise für neu gebaute Wohnungen, die Abschaffung des kommunalen Planungsmonopols, die Modifikation der Immobiliensteuer und gewisse Veränderungen des Schulsystems. 

„Weniger Ideologie und stattdessen noch mehr angebotspolitischer Pragmatismus“

Weniger Ideologie und stattdessen noch mehr angebotspolitischer Pragmatismus wäre wohl zunächst besser gewesen. Etliche der schwedischen Finanzministerin Elisabeth Svantesson angetragenen Maßnahmen zum Bürokratieabbau, zur Verbesserung der teilweise maroden Infrastruktur und zur Verkürzung von Genehmigungsverfahren dürften jedoch kaum nennenswerten Widerstand hervorrufen.

Immerhin ist in Schweden inzwischen von mehr gezielter Strukturpolitik die Rede – wenn auch noch nicht ausreichend offensiv und konkret. Eine strukturell noch deutlicher orientierte Wachstumspolitik wäre nicht zuletzt auch positiv für Schwedens Arbeitsmarkt und Umwelt mit den sich hieraus ergebenden neuen Produktchancen – vielleicht sogar auch für den längerfristigen Trend der inzwischen schon wieder schwächelnden Schwedenkrone.

Kontakt

Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

Kontakt
Wir nehmen Anfragen ausschließlich von Unternehmen und Organisationen an.
Durch das Absenden des Formulars verarbeitet die Deutsch-Schwedische Handelskammer Ihre persönlichen Daten. Datenschutzerklärung | Deutsch-Schwedische Handelskammer
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.
Diese Frage dient dazu, zu testen, ob Sie ein menschlicher Besucher sind oder nicht, und um automatisierte Spam-Übermittlungen zu verhindern.

* Pflichtfeld