Unzureichendes Bildungsniveau bleibt Schwedens Achillesferse

12.12.2023

Über die schwedische Wirtschaft gibt es eigentlich wenig Neues zu berichten. Die Konjunktur schwächelt so vor sich hin und befindet sich derzeit in einer leichten Rezession. Aber auch strukturell tut sich nur wenig. Allerdings geben die jüngsten PISA-Messungen für 15-Jährige schon Anlass zu Bedenken bezüglich des schwedischen Wachstumspotenzials. In der Bildungspolitik muss sich dringend etwas ändern, meint Prof. Hubert Fromlet, Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.

Humankapital weiterhin wesentlicher Wachstumsfaktor

Die Wissenschaft weltweit schreibt sich schon seit vielen Jahren die Finger wund ob der Bedeutung von Investitionen in Humankapital für das Wirtschaftswachstum. 

„Dennoch ist die schwedische Bildungspolitik noch immer viel zu passiv, wie übrigens auch die deutsche.“

Dennoch ist die schwedische Bildungspolitik noch immer viel zu passiv, wie übrigens auch die deutsche. Derartige Passivität nagt zuletzt auch an der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.

Wir leben in Zeiten von verschärfter internationaler Konkurrenz, Fachkräftemangel, erhöhtem Bedarf an Innovationen, Produkterneuerungen sowie Produktverbesserungen und damit auch an Firmengründungen. Ausgerechnet jetzt rennen uns viele asiatische Länder in der Bildungspolitik regelrecht davon, mit Singapur erwartungsgemäß ganz vorne. Dies nimmt sich gut aus für das längerfristige Wachstum etlicher asiatischer Länder (ceteris paribus, also ohne anderweitige größere Veränderungen). 

Zu einer derartigen Schlussfolgerung kamen generell schon vor geraumer Zeit die Nobelpreisträger Robert Lucas (1995) und Paul Romer (2018). So beschrieben sie und viele nach ihnen Humankapitalerhöhungen als Voraussetzung für höheres Wachstum und bessere Produktivität – ein Forschungsresultat, dem auch ich nahestehe.

Schweden nur Mittelmaß bei PISA-Umfrage

Die Ergebnisse der jüngsten PISA-Umfrage haben zuletzt auch in Schweden die Runde gemacht, allerdings mit etwas weniger Sorgenfalten als in Deutschland. Zwar wird immer wieder die Methodik der PISA-Umfragen in Frage gestellt, was teilweise auch berechtigt sein kann. Meine langjährige Erfahrung und Zusammenarbeit mit der OECD sagt mir aber schon, dass die OECD kaum zweifelhafte Erhebungsdaten veröffentlichen würde.

Schweden in der PISA-Umfrage für 15-jährige Schülerinnen und Schüler in 2022
Bericht von Dezember 2023 (Deutschland in Klammern)

          Punkte   Platzierung           Höchstwert
Insgesamt     488 (482)           19 (24)     Singapur 560
Mathematik     482 (475)           22 (25)     Singapur 575
Naturwissenschaften     494 (492)           21 (22)            Japan 547
Leseverständnis     487 (480)           18 (22)Japan, Irland 516

Quelle: https://www.datapandas.org/ranking/pisa-scores-by-country

Wie auch anderweitig liegen die schwedischen und deutschen Ergebnisse relative nahe beisammen. 

„Beide Länder müssen sich in der Bildungspolitik zusammenreißen, um längerfristig im globalen Wettbewerb bestehen zu können.“

Beide Länder müssen sich in der Bildungspolitik zusammenreißen, um längerfristig im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Asien imponiert, wie auch die folgende PISA-Tabelle für die TOP 10 deutlich unterstreicht.

1. Singapur – 560 Punkte

2. Macau – 535

3. Taiwan – 533

4. Japan – 533

5. Südkorea – 523

6. Hong Kong – 520

7. Estland – 516

8. Kanada – 506

9. Irland – 504

10. Schweiz – 498

Schwedische Konjunktur zwischen Flaute und leichtem Gegenwind

Abschließend noch ein paar Worte zur schwedischen Konjunktur, die sich nach wie vor im roten Bereich ansiedelt. Um die gegenwärtige und zukünftige Entwicklung besser abschätzen zu können, kann es von Belang sein, auch mal die Verteilung der wichtigsten BIP-Komponenten etwas genauer anzuschauen. 

Diese sieht wie folgt aus (in Prozent vom BIP in Q3):

Privater Konsum:46
Öffentlicher Konsum:26
Bruttoinvestitionen:23
Nettoexport: 
(Exporte 45 und Importe 41 Prozent)
4


Die oben aufgeführte Tabelle deutet relativ deutlich an, dass der für 2024 erhoffte Aufschwung in erster Linie vom privaten Konsum kommen sollte. Dies kann voraussichtlich nur über niedrigere Inflation und Zinsen funktionieren – und somit auch über mehr Konsumentenvertrauen in die Zukunft. Kein leichter Weg nach vorne, zumal ja keiner weiß, wie stark die Zinssenkungen letzten Endes ausfallen werden.

Wichtig ist dennoch, eine realistisch positive Grundhaltung zu behalten. Ständige Schwarzmalerei bringt Schweden (und Deutschland) auch nicht weiter. 

In diesem Sinne wünsche ich allen frohe Weihnachten und ein gesundes sowie erfolgreiches Jahr 2024 – und der ganzen Welt mehr Frieden!

 

Kontakt

Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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