Schwedische Gelassenheit in der Wirtschaftskommunikation

27.10.2023

Ein wichtiger Aspekt für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes und der internationalen Finanzmärkte sind wachstumsbeeinflussende psychologische Faktoren. In seinem aktuellen Artikel beleuchtet unser Senior Advisor Prof. Hubert Fromlet die Kommunikation zwischen Regierung und Wirtschaft sowie ihre psychologische Dimension. Schweden scheint hier ruhiger und damit etwas besser aufgestellt zu sein als Deutschland.

Die Schweden reagieren zumeist ruhiger – auch beim Euro

In dieser Analyse soll etwas näher diskutiert werden, inwiefern die heute noch in Deutschland gebräuchlichen Worte aus Goethes „Egmont“ auch im Vergleich zwischen Schweden und Deutschland teilweise anwendbar sind und wie in Schweden die Regierung sowie die Wirtschaft miteinander kommunizieren.

„Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“

„Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“ umschreibt dabei Übertreibungen in beide Richtungen, zum Besseren oder zum Schlechteren. 

Schweden wird derzeit von einer eher wirtschaftsfreundlichen, aber prozentuell schwachen Koalition regiert. Sie setzt sich zusammen aus größtenteils konservativen Moderaten (M), den ebenfalls konservativen Christdemokraten (KDS) und den Liberalen (L). Die Sozialdemokraten (S), die Linkspartei, die Grünen (MP) und das bäuerlich-bürgerliche Zentrum (C) sind deutlich in der Opposition, was man allerdings nicht unbedingt vom schwedischen Pendant zur AfD behaupten kann, den erstarkten Schwedendemokraten (SD). Sie unterstützen die amtierende Regierung im Reichstag teilweise bei Abstimmungen.

In der Diskussion um einen baldigen schwedischen Euro-Beitritt setzen sich inzwischen eigentlich nur die Liberalen aktiv dafür ein. Nicht einmal die konservative Finanzministerin Elisabeth Svantesson spricht sich dafür aus – nota bene ohne rauhe Reaktionen der eurofreundlichen Unternehmerschaft. Tatsächlich scheinen deutsche Unternehmen noch etliche Jahre auf den Euro in Schweden warten zu müssen.

„Nach langjähriger Beobachtung der schwedischen und deutschen Szene bin ich daher zu der Schlussfolgerung gekommen, dass die Schwedinnen und Schweden generell gedämpfter zu reagieren scheinen als die Deutschen“

Nach langjähriger Beobachtung der schwedischen und deutschen Szene bin ich daher zu der Schlussfolgerung gekommen, dass die Schwedinnen und Schweden sowohl generell gedämpfter zu reagieren scheinen als die Deutschen als auch beim Empfang von besonders wichtigen Wirtschaftsnachrichten. Allerdings dürften deutsche Übertreibungen zum Besseren nunmehr nur noch Seltenheitswert haben.

Nur wenig ernste Konflikte zwischen Regierung und Arbeitgebern

Wenn wir auf die Zeit seit der Jahrtausendwende zurückschauen, lassen sich kaum ernste (verbale) Konfliktsituationen zwischen Schwedens Politik und Wirtschaft ausmachen, auch nicht umgekehrt. Natürlich gibt es hin und wieder relativ deutliche Meinungsverschiedenheiten, vor allem beim Haushaltsentwurf für das nächste Finanzjahr. Kritik von Unternehmensseite kommt oft wegen der recht passiven Steuerpolitik (auch zuletzt) und wegen allzu wenig wachstumsweisender Angebotspolitik.

„Auch Klima- und Umweltpolitik sowie eine schlechte (Aus-)Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik können Unternehmen manchmal sehr kritisch stimmen – aber ohne mit Worten über die Stränge zu schlagen.“

Auch Klima- und Umweltpolitik sowie eine schlechte (Aus-)Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik (Fachkräftemangel, Integration) können Unternehmen manchmal sehr kritisch stimmen – aber ohne mit Worten über die Stränge zu schlagen. Ebenfalls hat die Energiekrise dem zu dieser Zeit amtierenden schwedischen Kabinett weitaus weniger Sorgen bereitet als gleichzeitig der deutschen Ampelregierung.

Im umgekehrten Fall – bei kritischer Betrachtung seitens der Regierung gegenüber der Wirtschaft – werden die Stimmen auch nur selten spürbar laut. Dies geschah seit geraumer Zeit eigentlich nur wegen zweier Ereignisse; zum einen wegen der sehr hohen Bankengewinne und wegen möglicherweise stark überzogener Preiserhöhungen in Teilen des schwedischen Handels.

Erklärungsansatz und Schlussfolgerung

Um diese schwedischen, meist weniger lautstarken Attitüden über lange Zeit hinweg besser zu verstehen, braucht es sicherlich soziologische und kulturelle Erklärungsansätze – und vor allem psychologische.

Bleibt hierzu noch die Frage, wie die oben angesprochenen Kommunikationswege und -lautstärke über gewisse psychologische Effekte auch die schwedische und die deutsche Volkswirtschaft beeinflussen können. Leider finden sich hierzu keine anspruchsvollen Studien – Studien, die wegen ihres interdisziplinären Charakters nur schwer zu erfassen sind. Ich stelle mir dies bei einem negativen Modellbeispiel wie folgt vor:

Lauter und pessimistischer Ton zwischen Unternehmen und Regierung:     

  • nach gewisser Zeit steigende Skepsis im Unternehmensbereich, etwas später auch bei privaten Haushalten;
  • noch etwas später auch mehr Skepsis bei den Prognostiker*innen, mit nach unten korrigierten Konjunkturzahlen und -prognosen; 
  • zuletzt reale Eintrübung beim privaten Konsum und/oder Unternehmensinvestitionen und damit beim BIP.

Natürlich lässt sich dieses Modell nur bei sehr verhärteten Fronten aktualisieren. Dies war wohl in Deutschland zuletzt der Fall, in Schweden wohl kaum. Hier hat die (etwas) ruhigere schwedische Dialogkultur vermutlich einen gewissen Vorteil.

Hubert Fromlet

 

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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