Hubert Fromlet. Foto: Magnus Hjalmarson Neideman/SvD/TT

Schwedens Arbeitszeitverkürzung zu Lasten des BIP – aber Gesundheitsgewinne

24.01.2025

Vor einigen Monaten machte eine Arbeitsgruppe der schwedischen Sozialdemokraten den Vorschlag, die wöchentliche Arbeitszeit ab 2027 auf 35 Stunden per Gesetz zu reduzieren. Zu den Vor- und Nachteilen einer derartigen grundlegenden Veränderung am Arbeitsmarkt hat auch die Wissenschaft einiges zu sagen. Prof. Hubert Fromlet, Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer fasst die Ergebnisse zusammen.

Neulich hat das staatliche Konjunkturinstitut (National Institute of Economic Research, NIER) eine Studie des Universitätsdozenten Jonas Kolsrud zum aktuellen Stand der Forschung über die Reduzierung von Arbeitszeit veröffentlicht (Studie hier auf Schwedisch). Die Untersuchung zeigt deutlich, dass bei einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit anfänglich ein erheblicher Verlust des BIP mit klarem Niveauabstieg hingenommen werden müsste. 

Es muss jedoch hinzugefügt werden, dass Kolsrud von einer Arbeitszeitverkürzung von nur zwei Stunden pro Woche ausgeht. Das reicht aber schon aus, um das BIP insgesamt um 230 Milliarden Kronen oder knapp 4 Prozent des derzeitigen BIP zu senken. Nach dieser initialen Anpassung könnten die Wachstumsraten des BIP wieder wie vor der Arbeitszeitverkürzung zunehmen – allerdings von dem erwähnten niedrigeren Sockel.

„Arbeitszeitverkürzung entfacht kaum zusätzliche Wachstumsimpulse als Resultat verbesserter Produktivität."

Auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Produktivität könnte theoretisch durch eine Arbeitszeitverkürzung beeinflusst werden – gemäß Kolsrud allerdings deutlich weniger als man erwarten könnte. Dazu schließt sich meine Bemerkung an, dass die Entwicklung der Produktivität als einer von drei übergreifenden Haupttreibern von Wirtschaftswachstum gilt (zusammen mit dem totalen Arbeitsvolumen einer Volkswirtschaft und der Versorgung mit Kapital). Arbeitszeitverkürzung entfacht folglich kaum zusätzliche Wachstumsimpulse als Resultat verbesserter Produktivität.

„Breit angelegte Arbeitszeitverkürzung bedeutet zudem ein kräftiges Minus für die Staatskasse."

Breit angelegte Arbeitszeitverkürzung bedeutet zudem – was in der Diskussion weniger beachtet wird – ein kräftiges Minus für die Staatskasse wegen des zunächst erlittenen Wachstumsverlusts und somit (zusätzliche) Belastungen für den Wohlfahrtsstaat. Das dürfte mit ein Grund dafür sein, warum man in Deutschland nicht den Weg über den Gesetzgeber gehen will – sowie wegen der unterschiedlichen Tragfähigkeit einzelner Wirtschaftssektoren.

Arbeitsmarkteffekte und Wohlfahrtsgewinne

Man könnte meinen, dass eine Arbeitszeitverkürzung auch positive Effekte direkt am Arbeitsmarkt mit reduzierter Arbeitslosigkeit hervorrufen könnte – und nicht nur negative über die anfänglich BIP-Reduzierung.

Die Wissenschaft sagt hierzu aber unter anderen, dass die vielerorts erwünschten Beschäftigungsgewinne über sogenannte Arbeitsaufteilungseffekte sich jedoch nicht besonders auffallend ausnehmen würden. Ein besonderes Handicap liegt hierbei in der unzureichenden Austauschbarkeit von Arbeitskräften.

Bessere Volksgesundheit – und insgesamt?

Bislang war zumeist nur von negativen oder unsicheren Effekten durch Arbeitszeitverkürzung die Rede. Doch sollten die erzielbaren Wohlfahrtsgewinne in Form von mehr Freizeit für alle Werktätigen sowie besserer Gesundheit bei vor allem etwas älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmern nicht unbeachtet bleiben. Diese relativ logischen Schlussfolgerungen werden auch durch die Wissenschaft gestützt.

Zusätzlich zu dem Bericht von Kolsrud könnte auch noch erforscht werden, in welchem Maße bessere gesundheitliche Voraussetzungen aufgrund verkürzter Arbeitszeit das schwedische Wirtschaftswachstum längerfristig erhöhen können. Dies dürfte sich aber bei Modellberechnungen als sehr schwieriges Unterfangen erweisen – wie auch die Erstellung eines numerisch genauen Gesamtergebnisses. 

Hubert Fromlet

 

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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