Hubert Fromlet. Foto: Magnus Hjalmarson Neideman/SvD/TT

Schweden lockert die Schuldenbremse

08.10.2024

Schweden gehört zu den wenigen Ländern mit eigens regulierter Schuldenbremse. Wie in Deutschland kam es jüngst auch in Schweden zu heftiger Kritik an dem strengen finanzpolitischen Regelwerk. Nun haben sich sechs von acht Reichstagsparteien auf leichte Lockerungen ab 2027 geeinigt. Prof. Hubert Fromlet, Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer blickt auf die Gründe und Auswirkungen des Beschlusses.

Schon fast vergessen – aber vor 30 Jahren befand sich Schweden inmitten einer sehr ernsten Wirtschaftskrise mit ausufernder Staatsverschuldung. 

Relikt aus Krisenzeiten

Um derartige Auswüchse zukünftig zu verhindern, entschloss sich die damalige sozialdemokratische Regierung, ein zweiprozentiges Überschussziel für die Haushaltsplanung über einen vollen Konjunkturzyklus hinweg einzuführen (die Dauer eines Konjunkturzyklus wurde dabei jedoch nie genauer definiert).

Dies war sicherlich eine richtige und zukunftsweisende Entscheidung. Inzwischen liegt die Quote der öffentlichen Verschuldung bei niedrigen 33 Prozent des BIP im Vergleich zu zirka 80 Prozent anno 1995. Auch erfreut sich Schweden wieder seit vielen Jahren bestmöglicher Noten der Ratinginstitute. Die Schuldenbremse – oder besser „Neuverschuldungsbremse“ – hat Schweden viele Jahre bestens gedient.

Ausgeglichener Haushalt als neues Ziel

Mit dem erstaunlichen Abbau des öffentlichen Schuldenberges kam es schließlich in 2019 zu einem erheblichen Rückgang des Überschussziels auf 0,33 Prozent des BIP. In den letzten Jahren hat aber die Debatte über unzureichende öffentliche Investitionen mit Wucht zugenommen – wie auch in Deutschland. 

„Öffentliche Investitionsrückstände zeigten sich zuletzt fast überall: bei Straßen, Eisenbahnen, Wohnungsbau, Umweltschutz und Militär.“

Öffentliche Investitionsrückstände zeigten sich zuletzt fast überall: bei Straßen, Eisenbahnen, Wohnungsbau, Umweltschutz und Militär.

Daher nimmt es kaum wunder, dass die Forderungen nach aufgeweichten Rahmenbedingungen für die staatliche Finanzpolitik auch in Schweden deutlich lauter wurden. Nach Meinung vieler aus Politik und Ökonomie reichten die Finanzierungsspielräume einfach nicht mehr aus, um alle dringend erforderlichen Zukunftsinvestitionen tätigen zu können.

Dies führte letztendlich Mitte Oktober dieses Jahres zum Beschluss über die Abschaffung des langjährigen finanzpolitischen Überschussziels ab 2027, auch mit Unterstützung der sozialdemokratischen Opposition. Ab dann gilt es, den Haushalt im Gleichgewicht zu halten. Dadurch werden finanzpolitische Ausgabenfreiräume von zirka 25 Milliarden SEK jährlich geschaffen – meines Erachtens der richtige Weg, auch zur Erhaltung der Kreditwürdigkeit.

Diese Summe entspricht in etwa der finanzpolitischen „Expansion“ für 2025 – von Arbeitsgebern und Gewerkschaften aber teilweise als „geizig“ betitelt. Ähnlich ablehnend waren auch die Reaktionen der schwedischen Linken und Grünen, die sich zudem für eine Erhöhung der beibehaltenen totalen öffentlichen Verschuldungsgrenze von 35 Prozent des BIP ausgesprochen hatten. Diese Obergrenze bleibt aber erhalten.

„Ein wichtiges Kriterium für jede Investition.“

Auf Unternehmensebene sind diese jüngsten Verschuldungsbeschlüsse insofern von Bedeutung, als dass damit ein wichtiger Beitrag zur finanziellen und wirtschaftlichen Stabilität Schwedens geleistet wird – ein wichtiges Kriterium für jede Investition.

Hubert Fromlet

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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