
Schweden führt müden EU-Wahlkampf
27.05.2024
Nur noch wenige Wochen bis zu den EU-Wahlen am 9. Juni. Dennoch scheint der schwedische Wahlkampf zu diesem wichtigen Ereignis noch immer nicht auf der Zielgerade angekommen zu sein. Europathemen werden weithin unzureichend angesprochen. Dabei steht in Europa politisch, sozial und wirtschaftlich in den nächsten Jahren sehr viel auf dem Spiel, meint Prof. Hubert Fromlet, Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.
Bei historischer Betrachtung fällt auf, dass Schweden gegenüber der EU eigentlich immer eine defensive Haltung eingenommen hat. „Defensiv“ muss dabei nicht unbedingt einen negativen Beigeschmack haben, doch hat sich Schweden nie als Antreiber der EU betätigt. Der Antrag Schwedens auf eine Mitgliedschaft in der EU im Jahr 1991 kam stattdessen in akuter wirtschaftlicher Not zustande.
Loyalität ohne Begeisterung für den Euro
Seither hat sich Schweden letztendlich zumeist loyal gegenüber der EU gezeigt – aber nicht gerade als Motor paneuropäischer Reformarbeit. Paneuropäische Skepsis hat man vor allem anlässlich der Volksabstimmung gegen den Euro vor über 20 Jahren demonstriert. Selbst Elisabeth Svantesson – zurzeit konservative Finanzministerin in der bürgerlichen Regierung Kristersson – sieht in absehbarer Zeit keinen Grund für einen erneuten Versuch Schwedens, dem Euro beizutreten. Seitens der Regierung treten lediglich die Liberalen für einen beschleunigten Beitritt zum Euro ein, auch im EU-Wahlkampf.
„Schweden gehört schon immer zu den Mitgliedsländern der EU mit enger Anbindung an das Subsidiaritätsprinzip.“
Schweden gehört schon immer zu den Mitgliedsländern der EU mit enger Anbindung an das Subsidiaritätsprinzip. Überstaatlichkeit sollte demnach so weit wie möglich vermieden werden, meint man noch heute vielerorts. Vielleicht erklärt dieser Tatbestand auch, warum sich die meisten schwedischen Spitzenpolitikerinnen und -politiker derzeit nicht richtig übergreifender EU-Fragen annehmen wollen.
So hat man häufig nicht verstanden, dass die EU nicht als fertige Institution zu sehen ist, sondern als Institution, an der man kontinuierlich arbeiten muss – nicht zuletzt, um in entscheidenden globalen Fragen wie Handel, Klima, Forschung sowie KI bestehen zu können. Das offizielle Schweden könnte – und sollte – sich zukünftig durchaus stärker bei der Gestaltung der EU engagieren.
Aktuelle Umfragewerte
Vor dem Hintergrund des müden schwedischen EU-Wahlkampfes nimmt es kaum wunder, dass die Zahlen von Meinungsumfragen nicht gerade an vorderster Front des allgemeinen Interesses stehen. Kriminalität, Klima und anonyme Konten der rechten Schwedendemokraten beherrschen momentan die politische Debatte. Manchmal scheint die EU einfach zu weit weg.
Es bleibt spannend, ob es noch zu einem Endspurt kurz vor dem 9. Juni kommen wird. Zuletzt verteilten sich die Sympathien der schwedischen EU-Wählerinnen und -wähler wie folgt:
Partei | in Prozent |
Sozialdemokraten (Socialdemokraterna, s) | 27,5 |
Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna, sd) | 19,9 |
Die Moderaten (Moderaterna, m) | 18,5 |
Die Grünen (Miljöpartiet, mp) | 9,8 |
Die Linke (Vänsterpartiet, v) | 8,7 |
Zentrumspartei (Centerpartiet, c) | 4,6 |
Christdemokraten (Kristdemokraterna, kd) | 3,9 |
Liberale (l) | 2,8 |
Quelle: Svenska Dagbladet / Demoskop. Stand vom 20. Mai 2024
Auch in Schweden besteht ein starker Trend nach Rechtsaußen, welchen die etablierten Regierungsparteien (m, kd, l) bislang nicht aufhalten konnten – und sich daher seit 2022 gezwungen fühlen, innenpolitisch mit den Schwedendemokraten regierungsstrategisch zu kooperieren.
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