Tilmann Bünz. Foto: Sara Arnald

Tilmann Bünz. Foto: Sara Arnald

Faszination Lappland – Tilmann Bünz erzählt von seinem Schweden

27.06.2024

Schweden und insbesondere Lappland verzaubern mit atemberaubender Natur und faszinierender Kultur. Tilmann Bünz, ehemaliger ARD-Korrespondent in Stockholm, widmet sich in seinem neuen Buch „Vorfahrt für Rentiere, Lappland für Anfänger“ dieser einzigartigen Region hoch im Norden Schwedens.

Im Interview mit der Deutsch-Schwedischen Handelskammer spricht Tilmann Bünz über die Magie Lapplands, die wirtschaftliche Bedeutung der Region, über grün-grüne Konflikte und gibt Tipps für den nächsten Sommerurlaub in Schweden.

Was fasziniert Sie persönlich an Schweden?

Ich mochte Schweden immer schon. Schon als Junge wollte ich unbedingt hierher ziehen. Es sollte fast 30 Jahre dauern bis der Traum in Erfüllung ging – als Korrespondent und Leiter des ARD-Studios in Stockholm 2002 bis 2007. Was für ein Glück, wenn man dahin kommt, wo man auch am liebsten sein möchte. Als die Zeit um war, haben wir uns ein Haus am Rande der Stockholmer Schären gekauft. Und kehren jeden Sommer zurück und immer häufiger auch im Winter. 

Sie haben bereits mehrere Bücher über Schweden veröffentlicht. Ihr aktuelles Reisebuch handelt ausschließlich von Lappland, dem nördlichsten Ende Europas. Warum dieser Fokus?

Wenn man sich mit Deutschen über Schweden unterhält, spricht man schnell über die Faszination des Polarlichts und der Natur, insbesondere der Rentiere. Da ist ein spezielles Interesse für den Norden da. Und Lappland ist tatsächlich ein ganz besonderer Ort. Wo anders leben 700.000 Rentiere in Freiheit und mit ihnen die Sami, das einzige Urvolk Europas?

Es gibt wohl nur wenige deutsche Journalist*innen, die seit 20 Jahren kontinuierlich über Lappland berichten. Das habe ich vor allem Viktoria Harnesk, einer samischen Frau, zu verdanken. Sie hat mich gelehrt, ihre Heimat mit ihren Augen zu sehen und mich in ihre Großfamilie eingeführt. Sie versteht sich als Kultur-Botschafterin der Urbevölkerung, die im Kampf gegen Bergwerke und Staudämme fast immer den kürzeren zogen. Zu allem Überfluss wurden die Sami auch noch schlecht gemacht und lange Zeit als Menschen zweiter Klasse behandelt. 

Diese Region Schwedens ist hochinteressant und es gab lange Zeit kein aktuelles Buch über Lappland. 

Sie erwähnen die Industrialisierung. Im nordschwedischen Kiruna befindet sich die weltgrößte unterirdische Eisenerzmine. Das abgebaute Eisenerz wird in die ganze Welt verschifft. Welche Bedeutung hat Lappland für die schwedische Wirtschaft?

Schwedens Wohlstand hängt stark vom Norden ab – man denke nur an den Schwedenstahl. An den „Seltenen Erden“ ist ganz Europa interessiert. Wasserkraft und Windkraft aus Nordschweden tragen maßgeblich zur Energieversorgung des Landes bei. 

Aber wie grün ist der Strom? Der Bau von Staudämmen und Rotoren ist ein drastischer Eingriff für Natur und Bevölkerung. So entsteht das, was man einen „grün-grünen Konflikt“ nennt .

Wobei man die einzelnen Parteien nicht künstlich gegeneinander ausspielen sollte. Meine Sympathie gehört den Sami, aber ein Gespräch mit alten sozialdemokratischen Minenarbeitern geht einem auch ans Herz. In meinem Buch kommen alle Seiten zu Wort. 

Und wie hat sich der Tourismus entwickelt, auch mit Blick auf den neuen Trend „Coolcation“?

Der Tourismus in Lappland hat sich ganz klar zu einer Einnahmequelle entwickelt, die die lokale Wirtschaft durch neue Arbeitsplätze, Ausbau von Infrastruktur und Dienstleistungsgeschäften ankurbelt. Heute kann man Polarlicht-, Husky- oder Rentiertouren buchen. Das Interesse steigt – auch mit dem neuen Trend der „Coolcation“, der sich seit einigen Jahren analog zum Klimawandel entwickelt. Die Menschen wollen der Hitze im Sommer entfliehen und an kühleren Orten Urlaub machen. Schwierig wird es dort, wenn etwa im Kälbermonat Mai, wenn oben im Fjäll, der Bergregion zwischen Schweden und Norwegen, zehntausende von Rentieren geboren werden.

Wenn dann plötzlich zig Wohnmobile durch die Kinderstube der Rentiere fahren, weil ein Online-Kartendienst diese Strecke empfiehlt, gehen die Sami mit Recht auf die Barrikaden. Oder wenn Hubschrauber den lieben langen Tag Sikfahrer auf die Berggipfel bringen. Der Zauber Lapplands liegt auch daran, dass sich die großen Herden einigermaßen ungestört bewegen können.

Damit sind wir wieder bei den Vor- und Nachteilen der Erschließung des Nordens. Hier gilt es sich mit den Konflikten zu beschäftigen, zu verhandeln und Kompromisse zu finden. 

Geben Sie uns zum Schluss noch drei Reisetipps für den Sommer!

  1. Stockholm ist eine echte Perle, eine wunderschöne Stadt. Mein Favorit ist Skeppsholmen mit seiner Mischung aus moderner Kunst und maritimen Oldtimern. Und im Schärengarten mit seinen 30.000 Inseln  kommt man mit den weißen Dampfern vom „Waxholmsbolaget“ auch ohne eigenes Boot gut voran.
     
  2. Mein Traum ist es die Westküste von Göteborg nach Oslo zu segeln. Smögen, ein malerischer Ort umgeben von zahlreichen kleinen Felsinseln eignet sich wunderbar für Kajakfahrten, zum Tauchen und Wandern. 
     
  3. Die Wanderstrecke von Abisko bis nach Nikkaluokta ganz im Norden von Schweden ist sehr zu empfehlen. Hier kann man auch sehr gut in den Unterkünften des schwedischen Tourismusverbandes STF übernachten. So eine Tour ist eine tolle Abwechslung. Man trifft sich selbst, weil es sonst nicht viel gibt. Kein Funknetz, aber dafür beeindruckende Aussichten und Rentiere, die überall Vorfahrt haben. Für sie bremst auch der Zug. Insofern kann man sich zwar darauf verlassen, dass der Nachtzug in Stockholm pünktlich abfährt, aber nicht, dass er pünktlich ankommt. Eine Reise durchs Lappland lässt sich nie ganz genau planen. Das macht aber auch die Faszination aus. Man muss eben Zeit mitbringen und ein bisschen Abschied von sich und seiner Ungeduld nehmen.

Tilmann BünzVorfahrt für Rentiere, Lappland für Anfänger, btb Verlag, München 2024, 304 Seiten, Taschenbuch 12 Euro