
Foto: Workaround GmbH
Smarte Handschuhe aus München wollen schwedische Lager erobern
Kaum eine Branche in Europa wächst so schnell wie die Logistik – nicht zuletzt wegen des florierenden Onlinehandels. Lagerflächen werden erweitert, der Automatisierungsgrad erhöht und innovative neue Dienste implementiert. Die smarten Handschuh-Scanner der Workaround GmbH kamen da genau zur richtigen Zeit. Im Interview erklärt Nordeuropa-Chef Olle Bengtsson die Geschäftsidee und das rasante Wachstum des Münchner Unternehmens.
Die Workaround GmbH, die seit Kurzem Mitglied der Deutsch-Schwedischen Handelskammer ist, wurde 2014 gegründet und beschäftigt heute 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus über 30 Ländern. Das von Workaround entwickelte Produkt heißt Proglove und ist ein tragbarer Barcodeleser. Er wird auf einen ergonomischen Handschuh montiert, der im Lager- und Logistikbereich zum Einsatz kommt. Das Wearable lässt den Nutzerinnen und Nutzern während des Arbeitstages freie Hand, was sowohl die Arbeit vereinfacht als auch Zeit bei der Bestandsführung spart.
Deutsch-Schwedische Handelskammer: Verraten Sie uns etwas über die Geschäftsidee. Wie kam es zum smarten Handschuh?
Olle Bengtsson: Angefangen hat unser Weg mit dem Innovationswettbewerb Intel Make It Wearable Challenge im Silicon Valley. Vier Bauingenieure der TU München, Thomas Kirchner, Paul Günther, Jonas Giradert und Alexander Grots, meldeten sich mit einem Prototyp an. Einer der Gründer arbeitete nebenbei bei BMW und sah, wie viel dort gescannt wurde. Ihre Geschäftsidee landete beim Wettbewerb auf Platz drei; das damit verbundene Preisgeld bildete das Startkapital für das Unternehmen. Zwei Jahre später stiegen mehrere Investoren ein, was dazu führte, dass der smarte Handschuh weiterentwickelt und noch im selben Jahr auf dem europäischen Markt eingeführt werden konnte. Heute gibt es drei verschiedene Wearable-Scanner: Mark Basic, Mark 2 und Mark Display mit jeweils unterschiedlichen Funktionen. Dazu kommen Software sowie Konnektivitätslösungen und Zubehör.
An welche Unternehmen wenden Sie sich?
Zielgruppe für unseren tragbaren Barcodeleser sind alle Unternehmen, die über Lager verfügen, zum Beispiel Logistikunternehmen, die Automobilindustrie mit ihren Montagelinien sowie der Einzel- und Lebensmittelhandel.
Inwiefern ist Ihre Lösung als Teil der digitalen Transformation in der Industrie, Industrie 4.0, zu betrachten?
Egal wie stark automatisiert wird – am Ende muss immer auch der Mensch miteinbezogen werden. Es gilt, die Technik so effizient, ergonomisch und anwenderfreundlich wie möglich zu gestalten. Dass uns das so gut gelungen ist, hat vor allem zwei Gründe: zum einen die Ergonomie – der Scanner ist direkt an einem Handschuh befestigt – und zum anderen die Zeitersparnis. Pro Produkt, das bearbeitet werden muss, können zwei bis sechs Sekunden eingespart werden. Auf den Tag gerechnet ist das eine ganze Menge. Denn es bedeutet oft eine Ersparnis von bis zu 50 Prozent der gesamten Scanzeit. Dies können je nach Scanfrequenz mehrere Stunden pro Tag sein.
„Egal wie stark automatisiert wird – am Ende muss immer auch der Mensch miteinbezogen werden. Es gilt, die Technik so effizient, ergonomisch und anwenderfreundlich wie möglich zu gestalten.“
Workaround ist seit seiner Gründung rasant gewachsen und das innovative Wearable wurde sowohl in Europa als auch in den USA auf den Markt gebracht. Was war entscheidend für dieses Wachstum?
Vor allem in Distributionslagern legen wir stark zu. Innovationshubs wie UnternehmerTUM, SAP, Accenture und DHL haben uns Zugang zu wertvollen Ökosystemen verschafft, die uns wiederum geholfen haben, auf mehreren Märkten zu wachsen. Heute haben wir Großkunden wie Volkswagen, DHL, Lufthansa und Bosch. Produktion und Hauptsitz befinden sich in München, die Softwareentwicklung findet in Belgrad statt und außerdem haben wir ein Büro in Chicago.
Wie schätzen Sie das Potenzial für Ihr Produkt auf dem schwedischen Markt ein? Wer ist Ihre Zielgruppe in Schweden?
Unser Fokus liegt aktuell auf ganz Nordeuropa. Wir wenden uns an Partnernetzwerke, die bei der Implementierung der Lösung beim Kunden helfen können. Aktuell arbeiten wir beispielsweise mit Qsys, Consafe Logistics, DLoG Norden, Tecsys in Dänemark, Techstep in Norwegen und Kauko in Finnland zusammen, die sich an Endkunden wenden. Nicht zuletzt durch den umfassenden Onlinehandel ist das Potenzial für unser Produkt groß.
Die Workaround GmbH ist Mitglied der Deutsch-Schwedischen Handelskammer. Welche Erwartungen haben Sie an die Mitgliedschaft?
Sie haben ausgezeichnete Kontakte zu Unternehmen in Schweden und Deutschland. Wir hoffen, dass die Markteinführung unseres Produkts durch die Mitgliedschaft in der Handelskammer noch besser gelingen wird.
Aktuelle Zahlen zum Wachstum der Logistikbranche:
- Third Party Logistics (TPL) gehört mit einer jährlichen Zuwachsrate von etwa 10 Prozent in den letzten 20 Jahren zu den am schnellsten wachsenden Branchen in Schweden. Zu den größeren TPL-Unternehmen im Land zählen DHL und DB Schenker, die beide Mitgliedsunternehmen der Deutsch-Schwedischen Handelskammer sind. (Quelle: Dagenslogistik.se)
- Dass die Branche wächst, zeigt sich auch in der Baustatistik: 2019 und 2020 wurde fast ein Drittel der neu errichteten Logistikflächen in Schweden für TPL-Unternehmen gebaut. Klassische Standorte sind Göteborg und Borås in Westschweden, Jönköping und die Region Helsingborg in Südschweden sowie Norrköping, Örebro und der Norden des Großraums Stockholms in Mittelschweden. (Quelle: Dagenslogistik.se)
- Liefer- und Kurierunternehmen bilden die schwedische Branche, die im Jahr 2020 die größte Umsatzsteigerung zu verzeichnen hatte: 87 Prozent. An dritter Stelle kamen laut Statistischem Zentralamt Schwedens (SCB) Unternehmen, die Software und Dienstleistungen rund um die Lageradministration anbieten. (Quelle: Dagens Nyheter)
- Die Logistikinvestitionen in Europa beliefen sich 2020 auf 38,64 Milliarden Euro – der höchste Wert seit dem Rekordjahr 2013. Angetrieben wird der Anstieg vom enormen Wachstum des E-Commerce in ganz Europa. (Quelle: Ecommercenews.eu)
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