En kvinna och en man står i ett konferensrum och pratar med varandra. I bakgrunden har några andra personer ett möte.

Foto: Lena Granefelt/imagebank.sweden.se

Warum duzt man sich in Schweden?

12.11.2013

Egal ob Fensterputzer oder Vorstandsvorsitzender – in Schweden wird jeder geduzt. Selbst wenn man auf dem Flur dem Konzernchef von Volvo begegnet, ist ein „Hej Olof!“ völlig angemessen. Doch das war nicht immer so. Ausgerechnet eine Behörde machte das Du gebräuchlich.

Bevor es in Schweden üblich wurde, sich konsequent zu duzen, war die Sprachverwirrung noch größer als beim deutschen Du- oder Sie-Prinzip. „Das Du verwendete man nur nach unten, nach oben nannte man immer den vollen Titel“, erklärt Lars Melin, Sprachwissenschaftler an der Universität Stockholm. Wer am Morgen seinen Chef begrüßen wollte, sagte korrekt: „Wie geht es dem Geschäftsführer heute?“ Und der erwiderte dann vielleicht „Mir geht es gut, hatte die Sekretärin denn auch einen schönen Morgen?“ Wenn man nicht genau wusste, welche Position der Gesprächspartner hatte, musste man sich mit komplizierten Passivkonstruktionen behelfen: „Mir geht es gut, wurde denn auch ein schöner Morgen verbracht?“

„Dieses System war extrem schwerfällig“, sagt Lars Melin, „Außerdem betonte der Gebrauch von Titeln die Über- oder Unterordnung.“ Das schien den Schweden irgendwann nicht mehr zeitgemäß. „Studentenrevolte, Popmusik, Hippiebewegung. Ende der 60er-Jahre veränderte sich die Gesellschaft stark. Das äußerte sich in neuen Konventionen, einer neuen Art sich zu kleiden und eben auch der Sprache”, erklärt Eva Olovsson vom schwedischen Språkrådet, einer Behörde zur Entwicklung und Bewahrung der schwedischen Sprache.

Behörde erkannte den Trend

Die Gallionsfigur dieser sogenannten Du-Reform wurde Bror Rexed, der damalige Direktor der Gesundheits- und Sozialbehörde. „Kalla mig Bror!“ („Ihr dürft mich Bror nennen!“), verkündete er nach seinem Amtsantritt und richtete sich damit nicht nur an die Mitarbeiter, sondern auch Klienten der Behörde. Sowohl im persönlichen Kontakt, als auch in offiziellen Schreiben wurde seitdem jeder Schwede, der mit der Gesundheitsbehörde zu tun hatte, mit Du und mit dem Vornamen angesprochen. In Deutschland wäre es vermutlich heute noch undenkbar in einem offiziellen Behördenbrief geduzt zu werden. Doch in Schweden, so sagt Eva Olovsson vom Språkrådet, war Rexeds Initiative gar nicht so revolutionär: „In Schweden waren Formalitäten und Hierarchien nie so wichtig wie zum Beispiel in Deutschland. Für das einfache Volk war das Du schon lange gebräuchlich.”

Auch für den Sprachwissenschaftler Lars Melin war Rexeds Entscheidung nur ein nächster logischer Schritt: „Rexed hat damit offene Türen eingerannt. Durch die Urbanisierung zerbröckelten Hierarchien und es wurden mehr Orte geschaffen, an denen Unbekannte aufeinandertrafen und miteinander kommunizierten. In solchen Situationen etablierte sich dann das Du als neutrale Ansprache.“

Du verdeutlicht schwedischen Gleichheitsgedanken

„Wenn man in Schweden für ein Geschäftsessen einen Tisch auf den Namen Sabine oder Klaus reserviert, fühlt sich das für Deutsche natürlich erst einmal komisch an“, sagt Ninni Löwgren, die bei der Deutsch-Schwedischen Handelskammer die Abteilung Market Entry & Business Development leitet.

„Generell finden Deutsche diese unkomplizierte Art der Ansprache aber meist sehr sympathisch.“ Denn das schwedische Du ist eigentlich viel mehr als nur ein Personalpronomen: „Es spiegelt die tiefe Überzeugung der Schweden wider, dass alle Mitglieder ihrer Gesellschaft prinzipiell gleich gut, gleich fähig und gleichwertig sind“, erklärt Löwgren.

Eine Ausnahme gibt es dennoch: Für Mitglieder der Königsfamilie gilt nach wie vor die Ansprache mit vollem Titel. Wer also die Königin trifft, sollte nicht „Silvia“ sagen und auch nicht „Frau Bernadotte“. Man fragt stattdessen höflich: „Wie geht es der Königin?“

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