Karin Bock-Häggmark und die Experten Ulrich Link, Lufthansa, Ninni Löwgren, DSHK, und Richard Bader, ERV

In der Diskussion ging es um deutsche und schwedische Managementmethoden, aber auch um....

...was Schweden und Deutsche voneinander lernen können

Richard Bader antwortete: „Zuhören, Respekt zeigen und Geduld haben“...

...Ulrich Link fand, dass "die schwedische Führungskultur etwas mehr Pep gebrauchen könnte"...

...und Ninni Löwgren sagte, dass jeder sein ‚Lebenspuzzle‘ aus Arbeit, Familie und Freizeit zusammensetzen muss

Deutsch-schwedisches Management: nicht zu viel Hierarchie, nicht zu viel Mittelmaß

20.10.2014

Dem deutschen Manager fiel zu allererst die Ruhe auf, die an seinem neuen schwedischen Arbeitsplatz herrschte. Der schwedische Chef wunderte sich hingegen über die zwölf Hierarchie-Ebenen in dem deutschen Unternehmen, für das er gerade zu arbeiten begonnen hatte. Auf der Veranstaltung der Deutsch-Schwedischen Handelskammer am 15. Oktober in München berichteten die beiden Unternehmenslenker und ein interkultureller Coach von ihren ganz persönlichen Erfahrungen aus dem deutsch-schwedischen Wirtschaftsleben.

Thema der Podiumsdiskussion waren die Unterschiede zwischen der deutschen und der schwedischen Geschäftskultur und wie diese manchmal unnötige Missverständnisse verursachen.

Über 80 Personen waren in den BMW Pavillon am Lenbachplatz in München gekommen, um dem Schweden Richard Bader, Vorsitzender des Vorstands der Europäische Reiseversicherung AG mit Sitz in München, dem Deutschen Ulrich Link, General Manager Skandinavien, Finnland und Baltikum bei Lufthansa German Airlines mit Büro in Stockholm, und der Deutsch-Schwedin Ninni Löwgren, Abteilungsleiterin bei der Deutsch-Schwedischen Handelskammer und Autorin des Buchs "Der schwedisch-deutsche Businessführer", zuzuhören. Moderiert wurde die Veranstaltung von der Journalistin Karin Bock-Häggmark.

Kulturschock zu Beginn

„Mein erster Eindruck, als ich nach Schweden kam, war die Ruhe im Büro. Ist irgendetwas Schlimmes passiert? Oder warum sind alle so leise, habe ich mich gefragt. Dann bemerkte ich, dass alle einfach nur am Arbeiten waren – leise, aber fleißig“, erzählte Ulrich Link.

Für Richard Bader waren dagegen die strikten Hierarchien die größte Überraschung als er, der Schwede mit deutschem Vater, Anfang der 1990er-Jahre nach Deutschland kam: „Ich war gerade mit dem Studium fertig geworden und hatte keine konkreten Pläne, als ich 1991 in der deutschen Versicherungswirtschaft landete und doch sehr über die vielen Hierachiestufen überrascht und überfordert war“, berichtete er.

Schwedische Organisationsstrukturen nicht immer greifbar

Ninni Löwgren, die mit einer schwedischen Mutter in Deutschland aufgewachsen ist, führt bereits seit vielen Jahren Coachings in deutscher und schwedischer Geschäftskultur durch. Ihrer Ansicht nach sind schwedische Unternehmensstrukturen etwas komplizierter als deutsche: „In Schweden sind die Entscheidungswege in einer Organisation oft nicht in einem Organigramm dokumentiert und informellere Strukturen ergänzen die formellen. Als Nicht-Schwede kann es daher manchmal schwer sein, zu wissen, wen man in einer bestimmten Frage eigentlich kontaktieren soll.“

In seiner ersten Zeit in Schweden erstaunten Ulrich Link die platten Hierarchien in den Unternehmen: „In Schweden hilft der Chef, nach einer Besprechung die Kaffeetassen wegzuräumen. Überhaupt hat man viele Meetings, aber in diesen werden Entscheidungen getroffen und sie sind effektiv.“

Die Hierarchien in einer Organisation sind aber auch in Deutschland nicht unumstößlich, meinte Richard Bader: „Als ich nach einiger Zeit in Schweden wieder als Chef nach Deutschland kam, wollte ich die Hierarchie verändern. Es hat funktioniert. Heute hole ich mir meinen Kaffee selbst!“

Effektiv auf unterschiedliche Art und Weise

Die Diskussionsteilnehmer betonten, dass man in Schweden generell oft sehr zielorientiert und pragmatisch sei. Ein Beispiel dafür, so Ulrich Link, sei die schwedische „Personennummer“, eine für jeden Bürger einzigartige Identifikationsnummer bestehend aus dem Geburtsdatum und vier weiteren Ziffern, die in praktisch allen Bereichen des täglichen Lebens benutzt wird.

„Wenn du nach Schweden ziehst, bekommst du eine zehnziffrige Nummer und mit der kannst du alles machen. Willst du in den Bergen Skier ausleihen, musst du der Person an der Kasse nur deine Personennummer nennen und sie weiß sofort deine Adresse und dein Alter. Transparenz ist in Schweden extrem viel stärker ausgeprägt. Aber ich bin mir nicht sicher, dass so etwas wie eine Personennummer in Deutschland funktionieren würde.“

Auch Ninni Löwgren bestätigte, dass Schweden eine offenere Gesellschaft sei, was bedeutet, dass im Prinzip alle zu den gleichen Informationen Zugang haben. „Egal ob es um den Kontakt mit Behörden oder Unternehmen geht, ist der Direktaustausch von Information offener und es gibt dank der Personennummern weniger Bürokratie. In der deutschen Geschäftskultur wird Information jedoch als Konkurrenzvorteil angesehen, die bei Verhandlungen einen weiteren Trumpf im Ärmel darstellt und die man deshalb vorsichtig behandelt.“

Angst vor Fehlern

Richard Bader meinte, dass der Mangel an Information und fortlaufendem Feedback in der deutschen Geschäftskultur zu einer Angst vor dem Fehler-Machen geführt habe, was für die Gesamtwirtschaft ein Problem darstelle: „In deutschen Unternehmen haben wir es noch nicht geschafft, eine wirklich offene Kultur zu etablieren. Daran müssen wir arbeiten. Statt einer Kultur der Angst benötigen wir eine ausgeprägte Fehler- und Feedbackkultur. Dies ist die Basis für die heute vielfach geforderte Innovationskultur in den Unternehmen.“

Link stimmte Bader darin zu, dass es positiv sei, konstruktives Feedback zu erhalten: „Aus dem Umgang mit Fehlern kann man sehr viel lernen, nicht nur über das Erreichen von vorher gesteckten Zielen. Schweden sind bei ihrem Feedback extrem sachlich und kompetent, aber versuchen trotzdem, dem Ganzen einen positiven Dreh zu verpassen.“

Ninni Löwgren meinte hingegen, dass die Kommunikation zwischen Schweden teilweise zu viel Konjunktiv und Botschaften „zwischen den Zeilen“ enthalte und dass sich Deutsche im Allgemeinen deutlicher und direkter verständigten.

Arbeit und Freizeit fließen ineinander

Ein weiteres Thema der Diskussionsrunde war, inwiefern Deutsche und Schweden zwischen Arbeit und Freizeit unterscheiden. Richard Bader erklärte, dass diese Frage eng damit zusammenhänge, wie die Gesellschaft als Ganzes organisiert sei:

„In Schweden hat Arbeit nicht den gleichen Stellenwert wie in Deutschland. Eine lange Anwesenheitszeit ist für effektive Arbeit nicht ausschlaggebend. Büroräume sind ganz anders gestaltet als in Deutschland, mit offenen Lounge-Flächen, die zu persönlichen Gesprächen einladen. Und die Familie hat ebenfalls eine ganz andere Priorität, weil man auch von zu Hause aus arbeiten kann. Von Schweden bekommt man dann oft E-Mails zu Unzeiten, wenn die Kinder im Bett sind.“

Dieses Verhältnis zu flexiblen Arbeitszeiten funktioniert nach Meinung von Ulrich Link ohne Probleme: „Wenn ein Mitarbeiter zu Hause bleibt, weil das Kind krank ist, arbeitet er oder sie einfach aus dem Home-Office weiter. Das funktioniert problemlos. Nicht selten steht auch jemand mitten in einem Meeting auf und sagt, dass er die Kinder zum Sport fahren muss. Damit das geht, braucht es gegenseitiges Vertrauen, dass die Arbeit trotzdem gemacht wird.“

„Egal auf welchem Niveau du dich im Unternehmen befindest, musst du dein ‚Lebenspuzzle‘ aus Arbeit, Familie und Freizeit zusammensetzen. Das Ergebnis ist dabei am wichtigsten, nicht der Weg dorthin“, erklärte Ninni Löwgren.

Voneinander lernen

Zum Ende der Diskussionsrunde stellte Moderatorin Karin Bock-Häggmark den Teilnehmern die Frage, was Führungskräfte in Deutschland und Schweden voneinander lernen könnten. Richard Bader antwortete für deutsche Chefs mit drei einfachen Punkten: „Zuhören, Respekt zeigen und Geduld haben.“

Ulrich Link ist dagegen der Meinung, dass man in Schweden mal etwas mehr aus sich herausgehen könnte: „Die schwedische Führungskultur könnte etwas mehr Pep gebrauchen. Man muss nicht immer so ausgeglichen und ‚lagom‘, wie die Schweden sagen, (genau richtig, nicht zu viel und nicht zu wenig, Anmerkung der Redaktion) sein.“

Ninni Löwgrens abschließende Gedanken rundeten die Diskussion ab: „Deutsche und Schweden haben viele Gemeinsamkeiten, sonst würden wir ja nicht so gut zusammenarbeiten. Aber man sollte die Grundlagen unserer Geschäftskulturen zu kennen. Die Kenntnis dieser erleichtert es enorm, miteinander ins Geschäft zu kommen und dabei Missverständnisse zu vermeiden.“