Martin Kauffner in einer der schwedischen Lidl-Filialen

Martin Kauffner in einer der 168 schwedischen Lidl-Filialen

Foto: Lidl

„Kommunikation auf Augenhöhe ist eine Voraussetzung für guten Führungsstil“

15.09.2016

Vertrauen in die Mitarbeiter, nicht von oben herab kommunizieren und nicht immer alles bierernst nehmen – so prägt die Führungskraft des Jahres, Martin Kauffner, die schwedische Einzelhandelskette des Jahres, Lidl. Im Interview mit der Deutsch-Schwedischen Handelskammer gibt der CFO Einblicke in seinen Führungsstil und die Zukunftspläne von Lidl in Schweden.

Deutsch-Schwedische Handelskammer: Sie sind im Mai dieses Jahres bei den schwedischen Retail Awards als Führungskraft des Jahres ausgezeichnet worden. Was kennzeichnet Ihrer Meinung nach Ihren Führungsstil?

Martin Kauffner: Man muss sich überlegen: Was macht generell einen guten Führungsstil aus? Da ist sicherlich Kommunikation auf Augenhöhe – nicht von oben herab – ein wichtiger Aspekt. Dann muss man dafür sorgen, dass sich Mitarbeiter entwickeln können. Weil nur so kann sich auch ein Unternehmen weiterentwickeln. Außerdem geht es darum, Vertrauen zu schaffen füreinander. Man muss selbst Verantwortung übernehmen, aber auch delegieren und Zutrauen zu den Mitarbeitern haben. Es gehört ebenfalls dazu, dass man zusammen Spaß bei der Arbeit haben kann. Und wenn ich sage, das ist guter Führungsstil, dann versuche ich natürlich, mir so viel wie möglich davon anzueignen. Ich würde nicht sagen, dass ich alles perfekt mache, aber ich versuche, es in meine tagtägliche Arbeit zu integrieren.

Sie sind gebürtiger Deutscher und arbeiten in einem deutschen Unternehmen, allerdings in einem schwedischen Umfeld. Erkennen Sie typisch deutsche oder typisch schwedische Elemente in Ihrem Führungsstil?

Man muss sich mit seinem Führungsstil immer an die Kultur anpassen, in der man sich bewegt. Nun bin ich in Schweden, da habe ich mir sicherlich schwedische Elemente angeeignet. Aber darüber hinaus gilt für mich wie für alle anderen Führungskräfte: Ich arbeite in einem Unternehmen, das selbst gewisse Werte hat, die die Führung beeinflussen. Mein Führungsstil muss daher nicht nur in die schwedische Kultur, sondern auch in das Lidl-Konzept, die Lidl-Werte-Welt, passen. Das funktioniert ganz gut zusammen.

Bei den Retail Awards wurden nicht nur Sie, sondern auch Lidl als Ganzes – als Einzelhandelskette des Jahres – ausgezeichnet. Wie wurde das im Unternehmen aufgenommen?

Wir haben uns im gesamten Unternehmen riesig darüber gefreut. Mit dem Preis ist ein gewisser Stolz verbunden. Er ist ein Beweis dafür, dass unsere mehr als 3.300 Mitarbeiter eine Arbeit gemacht haben, die beim Kunden ankommt und anerkannt wird. Gefeiert haben wir natürlich auch – und zwar nicht nur hier in der Zentrale, sondern in allen Filialen, im Lager und an den anderen Standorten. Die Mitarbeiter überall im Land konnten uns über soziale Medien Bilder schicken, die wir dann im Intranet veröffentlicht haben – sodass man den Preis auch wirklich als einen für das ganze Unternehmen sieht. Das war uns wichtig und ist auch sehr gut angekommen. Die Auszeichnung hat eine enorme Energie erzeugt, die man spüren kann, wenn man in den Filialen unterwegs ist. Jetzt nehmen wir das und schauen – typisch Lidl – wie wir alles noch etwas besser machen können.

Die ersten Jahre in Schweden waren für Lidl nicht ganz einfach. Sie haben es schon angedeutet, dass der Preis auch ein Zeichen dafür ist, dass sich Lidl inzwischen fest auf dem schwedischen Markt etabliert hat. Wie würden Sie den Weg bis hierhin beschreiben?

Der Kunde entscheidet, ob er bei Lidl einkauft oder bei einem Konkurrenten. Deshalb muss man ständig schauen, was der Kunde will. Ausgehend davon haben wir seit unserem Markteinstieg enorm viel am Sortiment gearbeitet. Es ist schwedischer geworden und auch ein ganzes Stück nachhaltiger. Wir haben ein neues Filialkonzept entwickelt und unsere Aktivitäten immer mit guten Werbemaßnahmen begleitet. Wir haben einfach das gemacht, worin wir gut sind: kontinuierlich zu schauen, was wir haben und was wir noch besser machen können. Dabei ist für uns immer die Devise: höchste Qualität zum besten Preis. Das ist beim Kunden angekommen und das werden wir auch so fortführen.

Sie haben es gerade angesprochen: Im Sortiment von Lidl hat sich in den letzten Jahren auch in Sachen Nachhaltigkeit einiges getan. Welchen Stellenwert haben fair gehandelte und biologisch angebaute Produkte inzwischen bei Ihnen?

Einen großen Stellenwert. Die Kunden fragen diese Produkte immer mehr nach. Im vergangenen Jahr ist unser Umsatz im Bio-Segment beispielsweise um 60 Prozent gestiegen. Das freut uns und wir wollen das Wachstum in den nächsten Jahren noch erhöhen. Darüber hinaus haben wir uns sehr weit gehende Richtlinien auferlegt, was die Zertifizierung von Schlüsselwaren wie Kaffee, Tee, Kakao oder Eiern angeht. Wir arbeiten hier mit weltweit agierenden Organisationen zusammen und wollen nach und nach nur noch zertifizierte Produkte verwenden, auch als Zutat. In diesen Fragen haben wir eine klare strategische Ausrichtung, mit der wir meiner Meinung nach führend sind im Lebensmitteleinzelhandel in Schweden.

In der deutschen Presse wurde in den letzten Monaten häufiger darüber spekuliert, dass sich Discounter wie Lidl von ihrem sogenannten „Billig-Image“ entfernen wollen und künftig auf ein größeres Sortiment, mehr höherpreisige und frische Waren sowie komfortablere Läden setzen. Gilt diese Strategie auch für Lidl in Schweden? Oder wie wollen Sie Sortiment und Läden weiterentwickeln?

Wir haben vor Kurzem ein neues Filialkonzept in Schweden entwickelt und setzen das gerade überall um. Das Konzept macht es für den Kunden noch einfacher, sich in der Filiale zurechtzufinden. Ich würde es aber nicht so sehen, dass es bei Lidl einen radikalen Strategiewechsel gegeben hat, was die Ausstattung der Läden und das Sortiment angeht. Wir haben schon immer an unserem Angebot und der Präsentation gearbeitet und diese stetig weiterentwickelt. Im Zentrum steht, was der Kunde wünscht. Gibt es Veränderungen, die gut ankommen, dann sind wir auch schnell darin, diese auf das gesamte Unternehmen auszudehnen. Ein Beispiel sind die Bake-off-Automaten, mit denen wir frische Backwaren anbieten. Diese hatten wir zunächst in einigen wenigen Filialen getestet. Der Test war sehr erfolgreich – deshalb haben wir sie dann innerhalb kurzer Zeit überall eingeführt. So läuft das bei vielen kleineren und größeren Veränderungen in unseren Filialen, an denen wir laufend arbeiten, um höchste Qualität zum besten Preis anbieten zu können.

Was plant Lidl in Schweden für die kommenden Jahre? Stehen die Zeichen weiter auf Wachstum?

Ja, wir sehen weiterhin gutes Wachstumspotenzial in Schweden, sowohl an den befindlichen als auch an neuen Standorten. Wir planen unser Netz von derzeit 168 Filialen in den nächsten Jahren kontinuierlich auszubauen. Parallel dazu müssen wir auch unsere Lagerkapazitäten erhöhen, weshalb wir im Juni den Bau eines dritten Zentrallagers bekannt gegeben haben. Es wird in Örebro errichtet werden und soll zwischen 70 und 100 Filialen versorgen können. Um diesem Expansionskurs Rechnung zu tragen, ziehen wir in einigen Jahren außerdem mit der Firmenzentrale in ein neues, größeres und umweltfreundliches Gebäude in Järfälla bei Stockholm. Insgesamt werden wir in den nächsten drei Jahren in Schweden circa 3 Milliarden Schwedische Kronen investieren.

Seit diesem Frühjahr ist Lidl Premiumpartner der Deutsch-Schwedischen Handelskammer. Warum haben Sie sich für diese Partnerschaft entschieden? Und welche Erwartungen knüpfen Sie an die nun noch engere Kooperation mit der Handelskammer?

Wir sind mit Lidl in Schweden inzwischen bei einer Unternehmensgröße angelangt, wo wir der Ansicht sind, dass die Premiumpartnerschaft in der Deutsch-Schwedischen Handelskammer einfach dazugehört. Wenn man sich anschaut, welche anderen Unternehmen Premiumpartner sind, wollen und sollten wir auch ein Teil dieser Gruppe sein. Außerdem sehen wir viele Möglichkeiten für eine fruchtbare Zusammenarbeit. Unsere Partnerschaft bei der Veranstaltung der Handelskammer während der Almedalen-Woche auf Gotland diesen Sommer war ein guter Start, weitere Kooperationen werden folgen.