Gabriel O. Leupold, Nordeuropa- und Baltikum-Chef von Lufthansa

Gabriel O. Leupold, Nordeuropa- und Baltikum-Chef von Lufthansa

Foto: Lufthansa

„IT ist für uns ein ganz entscheidender Zukunftsfaktor“

08.11.2016

Mit umweltfreundlicheren Flugzeugen, virtuellen Angebots-Welten mit zahlreichen Wahlmöglichkeiten und mehr Automatisierung macht sich die Lufthansa fit für die Zukunft. Nordeuropa- und Baltikum-Chef Gabriel O. Leupold zeichnet im Interview mit der Deutsch-Schwedischen Handelskammer die Route vor und berichtet aus seinem „Zigeunerleben“ auf drei Kontinenten.

Deutsch-Schwedische Handelskammer: Sie sind jetzt seit einem Jahr Geschäftsführer der Lufthansa für Nordeuropa und das Baltikum. Wie war das erste Jahr hier im Norden?

Gabriel O. Leupold: Sehr spannend. Vor allen Dingen hat mich mein Team hier beeindruckt –tolle qualifizierte Leute und sehr offen. Ich kannte Schweden und Finnland schon etwas vom privaten Reisen, aber dann hier zu leben, sich hier zu bewegen ist noch einmal etwas anderes. Die Länder, für die ich zuständig bin, sind eine interessante, sehr diverse Region. Mir macht die Tätigkeit hier sehr viel Spaß.

Vorher waren Sie für die Lufthansa bereits in Südamerika, Afrika und Südeuropa tätig. Wo lebt und arbeitet es sich am besten?

Ich glaube, da gibt es nicht DEN perfekten Ort, jedes Land hat besondere Seiten. Ich bin in Buenos Aires geboren. Spanisch ist meine Muttersprache und ich habe einen persönlichen Bezug zu den spanischsprachigen Ländern. Von daher war die Zeit in Madrid und Südamerika emotional besonders für mich. Aber auch Südafrika war fantastisch. Wir haben immer noch sehr viele Freunde dort. Bei international tätigen Firmen wie Lufthansa hat man ein Stück weit ein Zigeunerleben, was wir als Familie aber als sehr angenehm empfunden haben. In allen Ländern lernt man viel Neues dazu. Man taucht ein in die Kultur, in die Menschen und nimmt immer etwas für sich persönlich mit.

Welche Bedeutung hat Schweden für Lufthansa?

Schweden ist in unserer Region der größte Markt. Wir haben in der Lufthansa-Gruppe knapp 250 Flüge pro Woche von und nach Schweden. Dieses umfassende Angebot besteht natürlich, weil die Nachfrage in beide Richtungen da ist. Es gibt sehr intensive Geschäftsbeziehungen zwischen unseren Ländern, aber auch viele Privatreisende, die auf den Strecken unterwegs sind.

Was macht den hiesigen Flug- und Reisemarkt aus?

Interessant war für mich die hohe Reisetätigkeit der Schweden. Hier liegt das Land europaweit in der Spitzengruppe. Geschäftlich sind Schweden sehr interessiert, Wirtschaftskontakte zu knüpfen, neue Märkte zu erobern und ihre Kunden zu besuchen. In diesem Bereich erhalten wir immer gutes Feedback von unseren Kunden, dass sie unser Angebot, unseren Service schätzen. Auch Privatreisende aus Schweden sind sehr reiselustig. Im Winter wird man vielleicht vereinzelt die Weihnachtsmärkte in Deutschland besuchen wollen, aber der größte Teil der Passagiere nutzt unsere Hubs, um weiterzufliegen in die Sonnen- und Warmwasserziele.

Der Wettbewerb im Flugverkehr hat in den letzten Jahren immer weiter zugenommen. Warum sollte ich mich als Reisender für die Premiummarke Lufthansa entscheiden und nicht für die oftmals günstigere Konkurrenz?

Ich denke, da muss man ein Stück weit mit einem Vorurteil aufräumen. Wir haben günstige Preise, die sich durchaus dem Wettbewerb stellen können. Natürlich haben wir den Fokus auf das Premium-Segment, aber gleichwohl sind die meisten unserer Kunden Privatreisende. Die Lufthansa-Gruppe hat im letzten Jahr knapp 108 Millionen Passagiere befördert. Das ist ein Vertrauensbeweis, dass unser Produkt geschätzt wird. Wir stellen uns dem Wettbewerb und sind recht zufrieden mit der Position, die wir innehaben.

Der zunehmende Flugverkehr ist allerdings eine große Belastung für die Umwelt. Was tut Lufthansa, um diese langfristig zu minimieren?

Wir sind vielfältig unterwegs. Zum einen waren wir eine der ersten Fluggesellschaften, die nicht nur einen PR-Flug mit Bio-Treibstoff gemacht hat, sondern wir haben regelmäßig seit über einem Jahr eine Bio Fuel-Beladung in Oslo. Darüber hinaus führen wir ständige Verbesserungen an unseren Flugzeugen durch. Wir sind jetzt der erste Betreiber des A320neo, der pro Passagier 15 Prozent weniger Kraftstoff verbraucht und die Fläche, die beim Start von der Geräuschkulisse betroffen ist, um 50 Prozent verkleinert. Es gibt also nach wie vor technologische Schritte, die helfen, den Treibstoffverbrauch, die Umwelteinwirkung, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Aber wir kümmern uns auch um das Drumherum: Wir stellen zum Beispiel Flugzeugschlepper auf Elektrobetrieb um. Der kürzlich eröffnete Terminal 2-Satellit in München ist nach neuen Gesichtspunkten ausgerichtet, sodass zum Beispiel Tageslicht besser genutzt, Abwasser und Regenwasser gesammelt werden. Ich glaube, unsere Branche muss sich da genauso bewegen und bewegt sich wie wir alle, indem wir sorgfältiger mit den Ressourcen umgehen, die Effizienz steigern und die Wiederverwertung im Auge behalten.

Wann werden wir zum ersten Mal in einem Flugzeug sitzen, das komplett mit Treibstoff aus erneuerbaren Ressourcen angetrieben wird?

Das ist leider schwer vorherzusagen. Es ist noch nicht abschätzbar, wann genau erneuerbarer Treibstoff in dem Maße vorhanden ist, dass er überall verfügbar ist. Man muss ja erst einmal die Strukturen dafür aufbauen. Denken Sie zum Beispiel an die Pkw-Industrie. Wir haben heute noch nicht die Infrastruktur, die es erlauben würde, ab morgen nur noch mit Elektro-Pkws unterwegs zu sein. Gleiches gilt für unsere Branche. Erdöl komplett zu ersetzen ist nach wie vor das Ziel, aber es ist noch ein gewisser Weg dahin.

Was glauben Sie, wie wird unser Reiseverhalten 2030 oder darüber hinaus aussehen?

Ich bin mir sicher, dass die Menschen die Freiheit und die Verfügbarkeit des Reisens schätzen und das auch weiterhin behalten wollen. Reisen gehört zu den Dingen, die der Mensch einfach machen möchte. Wir werden sicherlich im Transportwesen modernere Formen finden, die das Wachstum des Luftverkehrs so begleiten, dass die Umwelteinwirkungen weiter reduziert werden. Und technologisch stehen wir vor einem Riesen-Sprung. Wir werden erleben, dass der Passagier in virtuelle Welten einsteigen kann, die Angebote visuell fassbarer machen. Wir werden auch mehr Automatisierung sehen. Ich denke, das ganze Thema Datenverarbeitung wird rasant zunehmen und das Reisen intensiv begleiten.

Wie wirken sich diese Entwicklungen auf Lufthansa als Unternehmen aus?

Es gibt für keine Firma eine Bestandsgarantie. Jeder muss sich anpassen, man muss konkurrenzfähig bleiben und eine Leistung erbringen, die vom Kunden geschätzt wird. Nur dann hat man langfristig Chancen, weiter zu wachsen. Insofern investieren wir in den nächsten Jahren nicht nur in neue Flugzeuge. Auch unsere Kommunikation mit den Kunden wird sich verändern. Wir glauben in diesem Wettbewerb müssen wir uns hervorheben, indem wir gute Wahlmöglichkeiten anbieten, Produkte zu individualisieren. Wir haben außerdem in Berlin ein Digitalisierungslabor gegründet. Dort und in anderen Unternehmensbereichen arbeiten wir sehr intensiv mit IT-Firmen zusammen, um zu sehen, was es an neuen Trends gibt und in welche Richtung wir uns weiterentwickeln können. IT ist für uns, neben dem reinen Fliegen, ein ganz entscheidender Zukunftsfaktor.

Jetzt wo es wieder kalt und dunkel ist, kann einen leicht das Fernweh packen. Wo geht Ihre nächste Reise hin?

Meine Frau und ich werden demnächst für 10 Tage nach Südafrika fliegen. Wir haben dort insgesamt sechs Jahre gelebt und freuen uns sehr, alte Freunde wiederzutreffen. Wir werden unter anderem Tiere beobachten fahren. Ich finde das faszinierend und liebe diese Ruhe dort, diese Abgeschiedenheit. Südafrika ist eines unserer Traumländer. Abgesehen davon freuen wir uns aber auch darauf, Schweden noch besser kennen zu lernen und zu erleben. Wir haben uns schon Schlittschuhe gekauft. Hier in der Nähe des Lufthansa-Büros waren letzten Winter immer viele Leute auf dem zugefrorenen See unterwegs. Ich habe mich damals noch nicht getraut, aber diesen Winter werde ich es wagen. Man muss ja erst einmal ankommen.