Menschen und Autos wechseln auf der Stockholmer Kungsgatan die Seite.

Die Stockholmer Kungsgatan zum Zeitpunkt der Umstellung am 3. September 1967.

Eine Gruppe Menschen steht auf einer Autobahnbrücke und hält Schilder mit dem Buchstaben H in die Höhe.

Tausende H-Schilder wurden an den Straßen aufgestellt, um an die neue Fahrseite zu erinnern.

Alte Straßenbahnen auf dem Schrottplatz

Viele der schwedischen Straßenbahnen landeten nach der Umstellung auf dem Schrottplatz.

Hier gilt rechts vor links: 50 Jahre Rechtsverkehr in Schweden

29.08.2017

Wie wäre es, wenn man von heute auf morgen den Verkehr von der einen Straßenseite auf die andere umstellen würde? Genau das erlebte Schweden vor 50 Jahren, als aus einem Land mit Linksverkehr eines mit Rechtsverkehr wurde.

Am 3. September 1967, dem „Tag H“ (H für höger, schwedisch für rechts), wurde um 4:50 Uhr morgens der gesamte Verkehr auf schwedischen Straßen für zehn Minuten angehalten. Die Autos, die in dieser Nacht eine Fahrgenehmigung hatten, wurden gebeten, zur Seite zu fahren, damit 20.000 Arbeiter in ganz Schweden die alten Verkehrszeichen abdecken und die neuen sichtbar machen konnten. Pünktlich um 5 Uhr durfte dann weitergefahren werden – nur jetzt auf der anderen Straßenseite.

„Es war eine ganz besondere Stimmung, als wir da im Auto saßen und warteten, bis wir wieder losfahren durften. Auf den Straßen waren viele Polizisten, Helfer und Arbeiter unterwegs. In meinem Auto hatte ich sowohl Insassen, die optimistisch waren, als auch welche, die ein Verkehrschaos prophezeiten. Wir sind dann durch Stockholm gefahren und es war kein Problem“, erinnert sich Johan Hallenborg, damaliger Volvo-Mitarbeiter und Mitglied im Königlichen Automobilklub, in einem Interview mit der Zeitung Dagens industri.

Umstellung trotz Nein des Volkes

Doch wie kam es eigentlich dazu, dass man im schwedischen Parlament trotz einer eindeutig ausgegangenen Volksabstimmung aus dem Jahr 1955, bei dem über 80 Prozent der Teilnehmer gegen einen Wechsel der Fahrseite gestimmt hatten, und einer lebhaften öffentlichen Debatte 1963 den Übergang zum Rechtsverkehr beschloss?

Ein gewichtiges Argument für die Umstellung war, dass man das Reisen innerhalb Europas vereinfachen wollte. Immerhin fuhr man nicht nur in Mitteleuropa, sondern auch in den schwedischen Nachbarländern Norwegen, Finnland und Dänemark schon seit Langem auf der rechten Seite.

Großen Einfluss hatten jedoch auch die schwedischen Autokonzerne Saab und Volvo, die damals auf Nachfrage von sowohl Schweden als auch internationalen Kunden vor allem Autos mit dem Lenkrad auf der linken Seite bauten. Auch die Fahrzeuge, die man aus den Vereinigten Staaten importierte, hatten das Steuer auf der linken Seite, was allgemein zu viel Verwirrung und gefährlichen Situationen im Straßenverkehr führte. Autos und Straßen waren nicht aufeinander angepasst. Die Zahl der Verkehrstoten war hoch und es musste eine Veränderung her.

Große organisatorische Herausforderung

Organisatorisch war die Umstellung eine enorme Herausforderung für die schwedischen Behörden. Neben den 360.000 Verkehrszeichen, die ausgetauscht werden mussten, und den 130.000 Erinnerungsschildern, die auf den Straßen positioniert wurden, mussten Markierungen verändert sowie Kreuzungen und Auffahrten umgebaut werden. Öffentliche Verkehrsmittel wie Busse und Straßenbahnen wurden an die neue Fahrseite angepasst oder ausgemustert und neu angeschafft.

Doch die schwierigste Aufgabe war es, die Verkehrsteilnehmer zu informieren und auf die Umstellung vorzubereiten. Das Ziel war klar: Jeder Schwede muss Bescheid wissen, welche neuen Verkehrsregeln gelten und worauf man zu achten hat. Um wirklich 100 Prozent der Bevölkerung zu erreichen, stand man vor einer Aufgabe, die man so zuvor noch nie erlebt hatte. Die damals verfügbaren Massenmedien liefen auf Hochtouren und man versuchte mit allen Mitteln, dem schwedischen Volk die Veränderung nahezubringen.

Am „Tag H“ war schließlich alles bestens vorbereitet. Der Wechsel funktionierte landesweit ohne größere Probleme. Noch im gleichen Jahr konnten die schwedischen Behörden eine positive Bilanz ziehen. Die Zahl der Verkehrstoten auf schwedischen Straßen war 1967 bereits um 267 Personen gesunken.

Die Gesamtkosten für die Umstellung wurden im Nachhinein auf 600 Millionen schwedische Kronen beziffert und heute wird der Wechsel von Links- auf Rechtsverkehr als gute Investition und richtige Entscheidung angesehen, besonders im Hinblick auf die in den darauffolgenden Jahren stark gesunkene Anzahl von Unfällen mit Todesfolge.