Prof. Hubert Fromlet kommentiert für die Deutsch-Schwedische Handelskammer

Gute Konjunktur in Schweden – Zeit für Strukturreformen

15.01.2018

Der schwedischen Industrie geht es, als Ganzes gesehen, zurzeit sehr gut. Diese Feststellung wurde durch die Zahlen zu den Auftragseingängen im November unlängst erneut bestätigt. Im Vormonatsvergleich konnte dabei in der verarbeitenden Industrie ein Auftragswachstum von 0,6 Prozent vom Binnenmarkt und von sogar 3,6 Prozent von den Exportmärkten verzeichnet werden.

Letztere Zahl zeugt sehr wohl auch von einer momentan guten internationalen Konjunkturentwicklung. Für den Zeitraum Januar bis November 2017 liegen die entsprechenden Zuwächse im Vorjahresvergleich bei erstaunlich guten 6,4 und 6,1 Prozent – wenn auch in laufenden Preisen (bei gleichzeitig niedriger Inflation).

Bei einer etwas genaueren Analyse muss aber berücksichtigt werden, dass sich die Auftragseingänge in der schwedischen Industrie während des vergangenen Jahres nicht ganz homogen entwickelt haben. Bei Investitionsgütern konnten gute Auftragsergebnisse sowohl von den Binnen- als auch von den Exportmärkten verzeichnet werden. Eher gedämpft sah die Entwicklung im letzten Jahr für die schwedische Konsumgüterindustrie aus.

Reformbedarf im Wahljahr 2018

Man muss sich jedoch fragen, wie sich das nach wie vor insgesamt sehr positive schwedische Konjunkturklima mit zuletzt teilweise wieder etwas kritischeren Kommentaren verträgt. Hierbei stehen vor allem zwei Bereiche im Mittelpunkt. Zum einen schwächelt der kritische Immobilienmarkt, zum anderen ist 2018 ein Wahljahr.

Politiker in verantwortlicher Position pflegen dabei bei gutem Wachstum besonders auf die aktuelle Konjunkturlage hinzuweisen. Gleichzeitig thematisieren Vertreter der Wirtschaft oder der Wirtschaft nahestehende Ökonomen eher entwicklungshemmende Strukturmängel. Eine derartige Entwicklung zeichnet sich gegenwärtig in Schweden ab.

Bei neutraler Analyse sind beide Standpunkte angebracht. Es kann kaum bestritten werden, dass sich Schwedens Wirtschaft in den letzten Jahren einer guten Entwicklung erfreuen durfte, wenn auch mit wertvoller Unterstützung durch die internationale Konjunkturbelebung. Es sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass Schweden auch dringend strukturelle Verbesserungen in einer Reihe von Bereichen benötigt.

Hierzu gehören unter anderem die Bildung, einschließlich einer weitreichenden Integration von Flüchtlingen, Teile der Steuergesetzgebung, Arbeitsmarkt und Kinderbetreuung, Wachstumsanreize für Kleinunternehmen, Regulierungen und Bürokratie, die Einkommensverteilung sowie weitere Faktoren zur Verbesserung des individuellen und sozialen Wohlbefindens.

Mit Tatendrang nach vorne blicken

Leider hat uns die Vergangenheit mit aller Deutlichkeit gezeigt, dass notwendige Strukturreformen bei guter Konjunktur und in Wahljahren von der Politik eher in den Hintergrund gestellt werden. Insgesamt handelt es sich in Schweden größtenteils um Herausforderungen, die in allen modernen Gesellschaften vorzufinden sind. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die anstehende Beschleunigung der Digitalisierung gewisse unabdingbare wirtschafts- und steuerpolitische Reformen antreiben könnte. Genau dies könnte aber auch in anderen Ländern passieren.

Trotz aller Herausforderungen: Wir sollten alle mit Tatendrang nach vorne blicken und mit Zuversicht an 2018 herantreten. Gemäß unserer letzten Konjunkturumfrage vom Dezember 2017 kann zum Beispiel auch der deutsch-schwedische Handel strukturell weiter verbessert werden. Daran sollten wir alle arbeiten!

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Hubert Fromlet

Affiliierter Professor an der schwedischen Linné-Universität und Senior Advisor der Deutsch-Schwedischen Handelskammer

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