Therese Larsson Hultin moderierte die Diskussionsrunde mit Klaus Helmrich, Harald Ludanek, Jan Brockmann und Thomas Lundholm

Ulf Troedsson, Vorstandsmitglied der Deutsch-Schwedischen Handelskammer und Chef von Siemens Schweden, begrüßt die Gäste

Hauptredner war Klaus Helmrich, Vorstand und Head of Div. Digital Factory/Process Industries and Drives, Siemens AG

Eine Vielzahl an geladenen Gästen aus Unternehmen der verarbeitenden Industrie, Verbänden, Medien und Politik nahm teil

Klaus Helmrich, Siemens, und Harald Ludanek, Scania

Jan Brockmann, Electrolux Group, und Thomas Lundholm, KTH

Harald Ludanek, Thomas Lundholm, Ralph Tischer (GF Handelskammer), Michael Bock (dt. Botschafter), Klaus Helmrich, Jan Brockmann

Nach der Podiumsdiskussion gab es die Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen

Der stellv. Geschäftsführer der Kammer, K.-H. Gössling (Mitte) im Gespräch mit dem deutschen Botschafter Michael Bock

Digitalisierung der Wirtschaft: Sowohl große als auch kleine Unternehmen profitieren von Industrie 4.0

24.04.2015

Nicht nur große Industrieunternehmen profitieren von der stetigen Digitalisierung – auch kleine und mittelständische Unternehmen können ihre Produktion kundenorientiert und damit effizienter gestalten. Das hat Klaus Helmrich von der Siemens AG im Tyskland i dialog-Seminar über Industrie 4.0 am Dienstag festgestellt.

„Das Internet hat die Industrie und die Geschäftswelt revolutioniert“, sagte einleitend Klaus Helmrich, Mitglied des Vorstandes und Head of Division Digital Factory/Process Industries and Drives bei der Siemens AG. „Die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen kann dank der Digitalisierung deutlich steigen und neue Geschäftsmodelle entstehen, aber die Kompetenz in den Bereichen Sicherheit und Kommunikation muss ausgebaut werden. Wir verwenden die Technologie bereits in unserem Alltag, jetzt gilt es, sie in sämtliche industrielle Produktionsprozesse zu implementieren", fügte Klaus Helmrich in seinem einleitenden Vortrag hinzu.

Der Begriff und das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 wurde in Deutschland von Vertretern aus Politik und Wirtschaft ins Leben gerufen, um die Digitalisierung von Fertigungsprozessen voranzutreiben und damit die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie langfristig zu stärken. Siemens ist ein wichtiger Akteur in der sogenannten vierten industriellen Revolution, weil das Unternehmen sich aktiv an der Forschung beteiligt und sich für die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen und Universitäten einsetzt. Große Teile der Produktion von Siemens sind schon heute automatisiert und vernetzt.

„Industrie 4.0 beeinflusst die ganze Wertkette vom Produktdesign über die Fabrikherstellung bis hin zum Service, ungeachtet der unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürfnisse der Unternehmen. Die Digitalisierung ist wie ein Kochbuch – die verschiedenen Zutaten können frei kombiniert und angepasst werden, weshalb Industrie 4.0 für alle Unternehmenstypen relevant ist. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Digitalisierung nicht nur  Produkt- oder IT-Chefs etwas angeht, sondern auch Inhaber, Vorstände und Geschäftsführer – also diejenigen, die strategische Entscheidungen treffen und dadurch ihren Unternehmen den Schritt ins digitale Zeitalter ermöglichen", betonte Klaus Helmrich. 

Schweden kann von Deutschland lernen

Das Tyskland i dialog-Seminar "Industrie 4.0 – How to digitalize industry?" wurde von der Deutsch-Schwedischen Handelskammer organisiert, um den hundert geladenen Gästen aus Wirtschaft und Politik einen Überblick über den Stand der Dinge bezüglich der Digitalisierung in Schweden und Deutschland zu geben. Wie Klaus Helmrich in seinem Vortrag festhielt, ist der Anteil der Industrie am gesamten Bruttoinlandsprodukt in Schweden zwischen 2001 und 2011 von 20 auf 17 Prozent gesunken, während er im gleichen Zeitraum in Deutschland von 22 auf 23 Prozent gestiegen ist. 

Im darauffolgenden, von Therese Larsson Hultin moderierten, Podiumsgespräch diskutierten die Teilnehmer Klaus Helmrich (Siemens), Harald Ludanek (Scania), Jan Brockmann (Electrolux) und Thomas Lundholm von der Königlichen Technischen Universität (KTH) über die Digitalisierung und kamen zu dem Schluss, dass Schweden ebenfalls eine politische Zukunftsstrategie wie Industrie 4.0 braucht.

„Schweden, insbesondere die Politik, sollte die Digitalisierung stärker in den Fokus stellen. In Deutschland wird viel über Industrie 4.0 gesprochen und viel in die Forschung investiert. Davon kann Schweden etwas lernen, vor allem um die Industrie in der Zukunft auch für jüngere, gut ausgebildete Generationen attraktiv zu machen“ meinte Thomas Lundholm, Doktor der Technologie und Leiter des Produktionsforschungslabor XPRES bei der KTH.

„Die nötigen Kompetenzen hat Schweden, aber die Wahrnehmung in der Gesellschaft ist in dieser Frage noch nicht sehr ausgereift", sagte Jan Brockmann, Chief Operations Officer und Senior Vice President, Group Management von Electrolux Group in Schweden. „Wenn es um Digitalisierung geht, hat Europa einen Vorsprung vor den leitenden Massenproduktionsländern in Asien und den USA. Mehr Zusammenarbeit sollte sowohl auf EU-Ebene, als auch direkt zwischen europäischen Ländern, welche im Digitalisierungsprozess führend sind, vorangetrieben werden."

Optimierung von existierenden Systemen

Harald Ludanek, Executive Vice President, Head of Research and Development und Mitglied des Vorstandes von Scania in Schweden, stellte ebenfalls die Frage von internationalen Kooperationen in den Mittelpunkt.

„Die Logistikbranche braucht eine größere Zusammenarbeit in der EU, beispielsweise ein neues Institut für Forschung und Entwicklung. Scania hat viel Geld in Innovationsforschung investiert, um die Transformation vom reinen Lkw-Hersteller zum Mobilitätsanbieter zu bewerkstelligen und arbeitet zudem mit Initiativen wie XPRES eng zusammen. In vielen Fällen müssen wir existierende Systeme optimieren und konkrete Möglichkeiten finden, um gute Ideen zu verwirklichen."

„Das Gleiche gilt eigentlich für die Menschen, die in der Industrie arbeiten – sowohl jüngere als auch ältere Generationen müssen lernen, komplex zu denken und die Unternehmensvorstände müssen Ressourcen in die Kompetenzentwicklung investieren. Industrie 4.0 bedeutet nicht, dass die Fabriken keine menschlichen Arbeitskräfte mehr haben werden, aber die Verteilung wird sich ändern", fügte Harald Ludanek hinzu.

Datenschutz entscheidend für die Entwicklung

In Deutschland wird Industrie 4.0 zwar fleißig diskutiert, aber immer noch meinen nur 40 Prozent von den kleinen und mittelständischen deutschen Unternehmen, dass sie von der Digitalisierung betroffen sind. Klaus Helmrich bestätigte einen gewissen Widerstand in Teilen der deutschen Industrie:

„Viele Unternehmen fragen sich, wie sie ihre Daten kontrollieren und schützen können, wenn sie auf digitale Technik wie Cloud-Dienste umstellen. Weitere Forschung im Sicherheitsbereich hat höchste Priorität, wobei große Unternehmen Vorreiter in dieser Entwicklung sind. Die kleineren Unternehmen werden allmählich nachfolgen, was vorteilhaft für alle sein wird.“

Zum Abschluss der Diskussion bat Therese Larsson Hultin die Diskussionsteilnehmer darum, den Anteil der Unternehmen einzuschätzen, die in 10 Jahren digitalisiert sein werden. Klaus Helmrich meinte, dass zumindest die Automobilindustrie durchaus automatisiert sein wird und Jan Brockmann hält das gleiche für die Massenproduktionsindustrie für wahrscheinlich. Harald Ludanek schätzte den Anteil der Unternehmen zwischen 60 und 80 Prozent, während Thomas Lundholm etwas pessimistischer antwortete:

„Wenn wir 10 Jahre zurückgehen, sehen wir, dass viele Veränderungen stattgefunden haben, aber die Entwicklung geht normalerweise nicht so schnell wie wir es uns wünschen. Deswegen sage ich 50 Prozent."