Testgelände in Arjeplog

Foto: Icemakers AB/Knorr-Bremse

Autotest-Mekka Nordschweden: Erlkönige auf Glatteis

20.03.2015

Jedes Jahr im Winter verwandelt sich die dünn besiedelte, ruhige Region Lapplands in ein Mekka der internationalen Automobilindustrie. Vor allem deutsche Unternehmen testen dann drei Monate lang ihre Fahrzeuge auf einigen der rund 4000 zugefrorenen Seen zwischen Arjeplog und Arvidsjaur. In diesen Tagen geht die aktuelle Testsaison zu Ende. Sowohl die Hersteller als auch die Teststreckenbetreiber ziehen eine positive Bilanz.

Die kalten Winter in Nordschweden bringen Autotester ins Schwärmen. Dauerfrost, trockener Schnee und die großen Eisflächen schaffen perfekte Bedingungen für umfangreiche Tests an den Fahrzeugen der nächsten Generation. Hier werden die oftmals noch streng geheimen Prototypen unter widrigen Bedingungen auf ihre Alltagstauglichkeit geprüft. Ist die Softwaresteuerung richtig eingestellt? Wie verhält sich das Fahrzeug beim Kaltstart? Stimmen Motor- und Getriebekonfiguration? 

Perfekte Bedingungen

Während Hitzetests vor allem in Afrika und im Südwesten der USA durchgeführt werden, setzen die Automobilhersteller und Zulieferer bei den Kälte- und Eis-Tests zum großen Teil auf Lappland. In der Saison zwischen Januar und März sind rund 30.000 biltestare, wie die Autotester auf Schwedisch genannt werden, in der Region unterwegs. Die Einwohnerzahl der Orte Älvsbyn, Arjeplog und Arvidsjaur verdoppelt sich dann schlagartig.

Die Hotels, im Sommer zumeist geschlossen, sind restlos ausgebucht. Manch einheimische Familie zieht sogar in das Ferienhaus, zu Freunden oder in einen Wohnwagen, um das Eigenheim für gutes Geld an die Gäste aus aller Welt zu vermieten. Die 4.600-Einwohner-Gemeinde Arvidsjaur kann sogar einen eigenen Flugplatz aufweisen – Direktverbindungen zu deutschen Autostädten wie Hannover, Stuttgart und München inklusive.

Entdeckt wurde das für Testzwecke bestens geeignete Areal Anfang der 1970er-Jahre eher durch Zufall: „Es gab Firmen, die im 500 Kilometer nördlich gelegenen Kiruna getestet haben und denen bei einem Tankstopp die Landebahn auf einer Eisfläche auffiel“, erzählt der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Arjeplog, Bengt Urban Fransson, in einem Interview mit der Zeitschrift Auto, Motor und Sport.

Langjährige deutsch-schwedische Kooperation

Von Beginn an dabei waren die Gründerväter der Icemakers AB, David Sundström und Per-Axel Andersson. Anfangs wurde mit einfachem Gerät warmes Wasser auf die dicken Eisschichten des Hornavan-Sees gesprüht, um eine glatte Fläche für die Flugzeuge zu erzeugen. Doch Sundström und Andersson erkannten das Potential und halfen den Firmen – allen voran Bosch – nicht nur bei der Erzeugung einer Eispiste, sondern stellten auch Werkstätten mit angeschlossenen Büros und Unterkünften zur Verfügung. 

Dies war der Beginn einer langjährigen deutsch-schwedischen Zusammenarbeit. Heute ist die Icemakers AB in ihrem Bereich weltweiter Marktführer und betreibt in Arjeplog ein großes Testgelände mit unterschiedlichen Teststrecken und der nötigen Infrastruktur. Dienstleistungen in der Verwaltung und der Logistik sowie die Vermittlung von Testfahrern runden das Portfolio des Unternehmens ab.

Die aktuelle Saison war für die Icemakers wieder ein voller Erfolg. „Wir hatten so viel Arbeit wie noch nie. Die Kundenentwicklung war sehr erfreulich“, berichtet Michael Lindeman, Marketing & Sales-Vorstand der Icemakers AB. Heutige Kunden und Partner sind unter anderem BMWMAN und Mercedes-Benz.

Zunehmend Kunden aus Fernost

Auf einem anderen Testgelände einige Kilometer weiter sind vor allem Zulieferer angesiedelt. Das deutsche Traditionsunternehmen Knorr-Bremse testet hier die volle Bandbreite an Lkws – vom „Light Truck“ bis zum 75-Tonnen-Mehrachser. „Die Testsaison 2014/2015 verlief durchweg positiv“, resümiert Markus Gebele, Manager bei Knorr-Bremse. „Das Eis auf der Fahrbahn hat sich sehr gut und homogen entwickelt. Im Hinblick auf die Kunden ist zu beobachten, dass diese zunehmend aus dem Fernen Osten nach Lappland kommen.“

Die Teststrecken bestehen nicht einfach nur aus Eis. Vielmehr hat sich im Laufe der Jahre – wie bei den Fahrzeugen auch – die Technologie ständig weiterentwickelt: Neben den klassischen Ice Tracks gibt es beispielweise Split Tracks mit einseitig beheizbarem Asphalt, Verwindungshügel sowie Strecken mit Stufen, Löchern und Höckern.

Insgesamt bestehen in Schweden rund ein Dutzend Testgelände und -strecken. Neun davon sind in der Gegend um Älvsbyn, Arjeplog und Arvidsjaur angesiedelt. In der idyllischen Landschaft kehrt nun aber erst einmal wieder Ruhe ein, bevor es im nächsten Januar dann erneut heißt: Die Erlkönige kommen.

 

Bildquelle: Icemakers AB