Schwedischer Reichstag

Foto: Melker Dahlstrand

Schweden hat die Wahl

08.09.2014

Der 14. September 2014 ist ein bedeutender Tag für Schweden. An diesem Sonntag werden nicht nur neue Gemeinderäte und Provinziallandtage, sondern auch ein neues Parlament gewählt. Mit den Wahlen entscheidet sich, welche Regierung die Geschicke des Landes in den nächsten vier Jahren lenken wird.

Insgesamt neun Parteien dürfen sich Hoffnungen auf Sitze imriksdag in Stockholm machen. Darunter sind auch die vier Parteien, die das aktuelle bürgerliche Regierungsbündnis bilden. Dazu gehören die von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt geführten Konservativen (Nya Moderaterna), die Liberalen (Folkpartiet Liberalerna), das Zentrum (Centerpartiet) und die Christdemokraten (Kristdemokraterna). Unter dem Namen „Allianz für Schweden“ (Allians för Sverige bzw. Alliansen) bildet das Parteienquartett seit 2006 die Regierung und zeigt großes Interesse, diese Zusammenarbeit auch in der nächsten Legislaturperiode fortzusetzen.

In der Opposition befinden sich derweil die Sozialdemokraten (Socialdemokraterna), die 2010 mit nur knappem Vorsprung gegenüber den Konservativen als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgegangen waren. Weiterhin sind auch die Grünen (Miljöpartiet de gröna), die Linken (Vänsterpartiet) und die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna) im Parlament vertreten.

Eine fünfte oppositionelle Partei, die erst 2005 gegründet wurde und in diesem Jahr zum dritten Mal an den Parlamentswahlen teilnimmt, ist die Feministische Initiative (Feministiskt initiativ). Obwohl Feministiskt inititativ bei den Wahlen 2010 nur 0,4 Prozent der Stimmen holte, sollte sie nicht unterschätzt werden. Bei den diesjährigen Europawahlen kamen die Feministen mit 5,3 Prozent der Wählerstimmen über die Vier-Prozent-Hürde und holten einen Sitz im EU-Parlament. Wenn sich die aktuellen Umfragen bestätigten, könnte der Partei nun auch der Sprung in den riksdag gelingen.

Prognosen für die Parlamentswahl

Stefan Löfven

Obwohl sich die Allianz aus den vier bürgerlichen Parteien eine Fortsetzung ihres Bündnisses wünscht, deuten die letzten Meinungsumfragen darauf hin, dass es zu einem Umschwung auf der schwedischen Regierungsseite kommen könnte. Kamen die vier Parteien im Jahr 2010 noch auf knapp 50 Prozent der Wählerstimmen, weisen aktuelle Prognosen nur etwa 40 Prozent für das Regierungsbündnis auf.

Stattdessen wird erwartet, dass die Sozialdemokraten, die Linken und vor allem die Grünen an Stimmen zulegen. Umfragen zufolge werden die Sozialdemokraten ihre Stellung als stärkste Partei halten oder sogar ausbauen können und damit den Grundstein für eine mögliche rot-grüne oder rot-rot-grüne Koalition legen. Dann würde der ehemalige Gewerkschaftsboss und jetzige Sozialdemokraten-Chef Stefan Löfven Schwedens nächster Ministerpräsident.

Allerdings sind die Ergebnisse der Meinungsumfragen nicht so eindeutig, dass man den Wahlausgang bereits hervorsagen kann. Die schwedische Tradition, meist Minderheitsregierungen zu bilden, macht Prognosen in Sachen Regierungszusammensetzung extra schwer. Das Ergebnis der Wahl am kommenden Sonntag wird deshalb mit großer Spannung erwartet.

Wirtschaftspolitik Schwerpunkt im Wahlkampf

Der Wahlkampf der Parteien befindet sich derweil aktuell in der heißen Endphase. Auf den Wahlplakaten, Informationsflyern und bei öffentlichen Kundgebungen dominieren zwei Hauptthemen: Wirtschaftspolitik und Bildung. Doch auch Verteidigungs- und Flüchtlingspolitik stehen in diesem Jahr häufig im Mittelpunkt der Debatte, ebenso wie die Gleichstellung von Mann und Frau, die vorwiegend von der jungen Feministenpartei propagiert wird.

Fredrik Reinfeldt

Ein Punkt, bei dem sich alle Parteien einig sind, ist, dass die schwedische Wirtschaft angekurbelt und ein höheres Beschäftigungswachstum erzielt werden soll. Als älteste aktive Partei Schwedens (Gründung 1889), setzen sich die Sozialdemokraten dafür ein, neue Arbeitsplätze zu schaffen, indem mehr Geld in den Wohnungs-, Straßen- und Eisenbahnbau investiert wird. Mithilfe von Steuererhöhungen für Besserverdiener, Banken und die Gastronomie planen die Sozialdemokraten bis zu 4,5 Milliarden Euro in Arbeit, Schulen und Sozialsysteme zu stecken. Allein die schwedischen Rentner dürften sich unter einer sozialdemokratisch geführten Regierung auf Steuersenkungen freuen.

Ziel der Investitionen soll unter anderem sein, die Größe der Schulklassen zu reduzieren und damit die Kommunikation und persönliche Beziehung zwischen Schülern und Lehrer zu verbessern. Die Lehrer sollen in der Lage sein, individueller auf die Schüler einzugehen und deren Talente zu fördern. In diesem Aspekt sind sich Sozialdemokaten und Grüne einig: der Lehrerberuf soll wieder attraktiver werden. Die Miljöpartiet fordert außerdem, insgesamt 10.000 neue Lehrer einzustellen.

Steuererhöhungen versus Steuersenkungen

Die Konservativen, zurzeit größte Regierungspartei, setzen sich angesichts des schlechten Abschneidens Schwedens in der letzten Pisa-Studie ebenfalls für bessere Bildung ein. Außerdem soll der Übergang zwischen Ausbildung und Beruf erleichtert und es für Arbeitgeber attraktiver werden, mehr junge Menschen anzustellen. Im Rahmen des bürgerlichen Regierungsbündnisses streben die Konservativen danach, dass bis 2020 fünf Millionen Schweden einen Job haben. Während die Sozialdemokraten Steuererhöhungen als richtiges Mittel ansehen um den Sozialstaat zu stärken, sprechen sich die Konservativen langfristig für weitere Steuersenkungen aus, insbesondere für Arbeitnehmer.

Trotz der äußerst vielfältigen Parteienlandschaft in Schweden lassen sich im aktuellen Wahlkampf also zwei große politische Lager ausmachen: Auf der einen Seite steht die bürgerliche Koalition, die bereits seit 2006 die Regierung bildet und ihre politische Linie, insbesondere mit Blick auf die Schaffung neuer Jobs und die Absenkung der Steuersätze, langfristig weiterführen möchte.

Auf der anderen Seite fordern die Sozialdemokraten und die anderen linken Oppositionsparteien einen grundlegenden Politikwechsel. Ihrer Meinung nach fehlt es an Investitionen, vor allem im Bereich Bildung und Wohnungsbau, die aufgrund der zahlreichen Steuersenkungen der vergangenen Jahre nicht geleistet werden konnten. Es bleibt abzuwarten, wie sich die schwedischen Bürger am 14. September entscheiden und welche Richtung Schweden danach einschlagen wird.