Südsudan, Guinea, Irak: Ärzte ohne Grenzen ist vor Ort.

Foto: Mackenzie Knowles-Coursin/Sylvain Charkaoui/Läkare Utan Gränser

„Die humanitären Bedürfnisse waren seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie so groß“

01.12.2014

In der Weihnachtszeit sind viele besonders großzügig, wenn es um wohltätige Zwecke geht. Aber in diesem Jahr gibt es leider auch ganz besonders viele Menschen, die unsere Hilfe benötigen, so Sonja Leister, ehemalige Webredakteurin der Deutsch-Schwedischen Handelskammer und nun Pressesekretärin bei Läkare Utan Gränser, der schwedischen Sektion der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, in unserem Interview.

 

Welche der Hilfsaktionen Ihrer Organisation sind derzeit ganz besonders akut?

Ärzte ohne Grenzen führt gerade einen gigantischen Einsatz in Westafrika durch, um die dort grassierende größte Ebola-Epidemie aller Zeiten unter Kontrolle zu bekommen. Mehr als 3300 Personen arbeiten in den betroffenen Ländern für uns, pflegen Ebola-Patienten und versuchen, die Ausbreitung der Krankheit einzudämmen. Gleichzeitig finden auch im Irak, in Syrien, Gaza, Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik humanitäre Katastrophen statt. Die Liste der wichtigen Hilfsprojekte ist zurzeit wahnsinnig lang. Ich freue mich und bekomme immer wieder Gänsehaut, wenn ich sehe, wie viele Helfer bereit sind, in all diese Krisengebiete zu fahren, und wie viele Menschen uns unterstützen.

2014 ist ja weltweit ein sehr turbulentes und tragisches Jahr gewesen. Bedeutet dies, dass die Arbeit von Ärzte ohne Grenzen dieses Jahr ganz besonders wichtig war?

In diesem Jahr gab es unheimlich viele humanitäre Katastrophen. Erfahrene Kollegen von mir sagen, dass die humanitären Bedürfnisse seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie so groß waren. Beispielsweise befinden sich momentan mehr Menschen auf der Flucht als jemals zuvor. Laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, sind es zurzeit über 50 Millionen Menschen. Solche Zahlen kann man manchmal gar nicht richtig aufnehmen, aber das bedeutet also, dass mehr als 50 Millionen Menschen kein Dach über dem Kopf, kein Essen, Wasser oder Zugang zu medizinischer Betreuung haben.

Nun ist ja bald Weihnachten. Viele denken da an ihre Mitmenschen und spenden Geld für wohltätige Zwecke. Ist es in dieser Zeit des Jahres leichter, Spender für Ihre Organisation zu werben?

Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Menschen im Dezember ungefähr doppelt so viel spenden wie in den anderen Monaten. In Schweden läuft zurzeit unsere Weihnachtskampagne mit dem Titel „Verschenke ein Happy End“ (Ge bort ett lyckligt slut). Das Ganze läuft darauf hinaus, dass man für unsere Arbeit spendet und dafür ein kleines Buch mit einer wahren Geschichte erhält, die dank des medizinischen Einsatzes von Ärzte ohne Grenzen glücklich ausgegangen ist. Wären wir nicht vor Ort gewesen, hätte die jeweilige Geschichte ganz anders enden können.

Wie können Unternehmen Ihre wichtige Arbeit unterstützen?

Viele Firmen unterstützen uns mit Spenden oder Kooperationen. Mir fällt spontan ein Mitgliedsunternehmen der Handelskammer ein: Swedavia. Der Betreiber von zehn schwedischen Flugplätzen hatte eine super Idee: Sie sammeln jetzt an fünf Flughäfen in Schweden Pfandflaschen und -dosen ein und das Pfand geht an Ärzte ohne Grenzen. Wer also bei der nächsten Geschäftsreise in Stockholm-Arlanda oder Göteborg-Landvetter seine Colaflasche loswerden will, kann gleichzeitig etwas Gutes tun.

Inwiefern unterscheiden sich Deutschland und Schweden, wenn es um Spenden an Ärzte ohne Grenzen geht? In welchem der beiden Länder sind die Leute großzügiger?

Deutschland ist ja im Vergleich zu Schweden ein sehr viel größeres Land. Dort hat Ärzte ohne Grenzen im vergangenen Jahr mehr als 82 Millionen Euro von privaten Spendern erhalten. In Schweden hatten Privatpersonen und Unternehmen rund 420 Millionen Kronen (etwa 45 Millionen Euro) gespendet. Aber die Zahl der monatlich per Bankeinzug Spendenden unterscheidet sich kaum: In Schweden unterstützen rund 100.000 Menschen jeden Monat unsere Arbeit. Das ist eine sehr sehr gute Zahl. In Deutschland sind es um die 120.000. Für Ärzte ohne Grenzen sind die Monatsspender in beiden Ländern von großer Bedeutung, weil sie uns die Möglichkeit geben, sehr schnell und mit großer Flexibilität Hilfsprojekte auf den Weg zu bringen. Die meisten humanitären Krisen können wir nicht vorhersehen und wenn es zum Beispiel zu einem Erdbeben kommt, müssen wir innerhalb weniger Stunden reagieren können. Da spielt es keine Rolle, ob man 5 oder 50 Euro im Monat spendet – für unsere Patienten ist jede noch so kleine Summe enorm hilfreich.

 

Wollen auch Sie oder Ihr Unternehmen die weltweite Arbeit von Ärzte ohne Grenzen unterstützen? Auf der Webseite der Organisation finden Sie alle notwendigen Informationen.